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Die Kunst dem Volke <München> — 1911 (Nr. 5-8)

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Berühmte Kathedralen der nachmittelalterlichen Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.21075#0164
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tien geweiht, der der erste Bischof der Tou-
raine gewesen ist, und dieser Bau ist auf der
Stelle errichtet, wo zuvor zwei Kirchen der beiden
anderen Heiligen standen. Gar prachtvoll ist die
Fassade mit ihrem reichen Schmuck, der in den
beiden Türmen, zumal in dem nördlichen, einem
Meisterwerk französischer Renaissance, ihren stol-
zen und p .ächtigen Höhepunkt findet. — llberaus
reizend sind in der Kathedrale von Rodez die
Chorabschlußwände mit ihren zarten Ornamenten
und den prächtigen durchbrochenen Füllungen.
— Neu ist die stolze Kathedrale von Marseille, die
mit ihrer reichen Glie-
derung, ihren Kup-
peln, ihrem gewalti-
gen Portaleingange,

ihren abwechselnd
helleren und dunk-
leren Gesteinsschich-
ten einen bedeutenden
Eindruck macht. Sie
ist das Werk des Ar-
chitekten Leon Vau-
doyer, dersie seit 1855
erbaute.

Das ist eine Aus-
wahl von den kirch-
lichen Neuschöpfungen
in Frankreich seit dem
Zeitalter der Renais-
sance. Es sind ihrer
wenig genug, und un-
ter den wenigen hat
Unglaube und Un-
ruhe arg aufgeräumt.

-i- H

Welch wilde Spitzen
dort im Osten? Welch
leuchtender Schnee,
rauherFels und brau-
sender Strom? Die
Alpen ziehen vom
Norden dem Meere
entgegen, und jenseits
liegt Jtalien. Dort-
hin klimmen durch Täler, über vereiste Pässe ur-
alte Völkerstraßen. Heere, geführt von kühnen Er-
oberern haben sie überschritten, auf ihnen wander-
ten leuchtenden Auges zahllose Jünger der Kunst
zum gepriesenen Lande, auf ihnen schallen der
Wallfahrer gottbegeisterte Hhmnen. Sei gegrüßt
du Heimat der sonnigen Schönheit, der höchsten
Kunst, du Land, wo die Kniee sich beugen an
der Stätte, die Gott selbst durch seine heiligen
Apostel zum Mittelpunkte seiner Kirche sich erkor.
Sei gegrüßt auch uns, die wir sehnsuchtsvoll und
andächtig deinen Boden betreten!

Hier durch die grüne Ebene am Fuße lieblicher
Hügel strömt der Po. Stolz dehnt sich an seinen
Ufern Turin, einst die Hauptstadt des König-
reichsSavoyen. Dort beim Schlosse die Kirche mit

der Ruhe und Schönheit ihrer Marmorfront, mit
derstolzenKuppel, ihr streben wir zu, sie ist dieKa-
thedrale (Abb. 39). Wohl gibt es viele Gotteshäu-
ser in Jtalien, die ihr als Kunstwerke gleich, viele,
die großartiger sind, aber jene Kapelle, die
hinter dem Hochaltar an den Dom von Turin
angebaut ist, birgt einen Schatz besonderer Art.
Wunderbar ist der Raum und herrlich seine
schwarzen Marmorwände, denn hier ist die
Gruft der Herzöge von Savoyen, und ihre weißen
Denkmäler stehen mit erhabener Wirkung vor dem
dunkeln Hintergrunde. Aber nicht sie suchen wir.

Der Altar ist es, und
in ihm die kostbare
Reliquie, angeblich
ein Stück vom Lei-
chentuche Christi, das
in den Kreuzzügen er-
beutet wurde und nun
seit über zweihundert
Jahren an diesem
Orte zur Andacht
mahnt. — Nicht weit
von Turin liegt Chi-
vasso. Auch das be-
sitzt eine wertvolle
Hauptkirche; die
schmale Front neben
dem wuchtigen Glok-
kenturme prangt im
Schmucke feiner Ter-
rakotta-Verzierungen.
— Einen prächtigen
Anblick gewährt die
Kathedrale von Bres-
cia (Abb.41),mit ihrer
stolzen, vonSäulenge-
schmückten Marmor-
front und der hinter
dem mittleren Giebel
aufsteigenden Kuppel.
— Ruhig und edel ist
die Fassade desDomes
von Bergamo, dessen
Eingang einem römi-
schen Triumphbogen
gleicht. — Und nun kommen wir nach Como, der
Stadt, die so wundervoll am Südende des schön-
sten aller italienischen Alpenseen liegt. Wohl hat
der Schöpfer diesen Fleck Erde mit herrlichsten

Reizen ausgestattet, aber auch die Kunst und

Frömmigkeit hat sich beeifert, ihm ihren Dank
dafür durch Errichtung einer wahrhaft pracht-
vollen Kathedrale darzubringen. Eigentlich ge-
hört die Kirche, wenigstens mit ihren Anfängen,
noch ins Mittelalter, aber erst die Renaissance hat
das Verdienst, den schönen Marmorbau vollendet
zu haben. Die Kuppel aber ist zwei Jahr-
hunderte später dazu gekommen. Ernst und doch
reich an Pracht ist die Front, über deren Ein-
gang ein schönes Relief die Anbetung der Könige
zeigt, während von oben Heiligenstatuen unter

Abb. 35. Die Schöribornsche Kapelle am Dome zu Würzburg
Text S. 28
 
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