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Abb.4i
Dom zu Brescia (Text S. K2)
und strebeu im Hintergrunde geradeswegs dem
Riesenbau der Kirche zu (Abb. 2). Schreite noch
nicht weiter, sondern mach es dir erst klar, daß du
nun wirklich da bist, und die Kirche, vor der du
stehst, istSt. Peter inRom! DerGedanke ist so neu,
greift so ans Herz, daß Zeit nötig ist, um der Er-
regung Herr zu werden. Erreicht ist die ruhm-
reichste Kirche der Christenheit, die heilige Stätte,
die wir so oft im Bilde geschaut, nach der wir
uns seit Jugendtagen gesehnt haben, erfüllt ein
höchster, ein heiligster Wunsch! Zögernd, durch-
schauert von Ehrfurcht schreiten wir näher, treten
wir durch die gewaltige Vorhalle ins Jnnere des
Domes. Und alles, was wir bis dahin gehofft,
enipfunden, alles was wir erfüllt sehen, löst sich
anf in brünstigem Gebet.-
Von seiner Weihe crfüllt dürfen wir unsere
Augen zu all der überwältigenden Schönheit er-
heben, die uns rings umgibt. Jn seinem Jnnern
schafft St. Peters Dom noch weit gewaltigere
Empfindungenalsmit seinemÄußern. Dreischiffig
die wnndervolle Halle, gewaltig die Wölbung hoch
über unseren Häuptern (Abb. 48). Vor uns die
Nische des Hauptaltars, zum Teil verdeckt durch
Jerninis riesiges Tabernakel (Abb. 49) mit den
gedrehten Säulen, wo um den Eingang von St.
PetersGruft die vielenLampen brennen. Darüber
strömt das himmlische Licht durch die Fenster der
gewaltigsten, der herrlichsten Kuppel, die über
irgend einer christlichen Kirche der Welt sich auf-
schwingt. Ungewöhnliche Eindrücke kommen erst
langsam zum klaren Bewußtsein. Um was für
Größenverhältnisse es sich in St. Peter handelt,
das will uns fürs erste noch nicht vollauf deutlich
werden. Wohl hat man uns gesagt, wie lang,
wie breit die Schiffe sind, auch zu welcher Höhe
die Spitze der Kuppel bis zum Kreuze sich auf-
schwingt (Abb. 50), aber fürs erste sind das für
uns nur Zahlen. Wir sehen riesige Ausdehnun-
gen, aber es fehlt der Maßstab. Um ihn auf ein-
fache Art zu erlangen, kann ich zwei Mittel nen-
nen. Das eine ist ein Blick zur Galerie der Kup-
pel hinauf, wo Menschen wandern. Wie find sie
so fern und winzig! Und das andere. Gleich beim
Eintritt in den Dom gewahrt man rechts und
links je ein Weihbecken, das von Engeln gehalten
wird (Abb.48). Siescheinenrechtklein und zierlich.
Aber stelle dich neben sie, und du wirst sehen, wie
sie kolossal über dein Haupt hinwegragen! So kom-
men wir allmählich zu einem deutlicheren Begriff
und können nun mit erwachendem Verständnis
dem Bauplane des Riesenwerkes nachsinnen.
An dieser Sielle stand voreinst die altchrist-
liche Kirche des heiligen Petrus, errichtet über
dem Grabe des von Nero getöteten Apostels.
Sie diente als erstes Gotteshaus der Christen-
heit, bis an dem Gebäude in der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts sich die Gebrechen des
Alters zu melden begannen. Damals wollte
es Gottes Weisheit, daß auf dem päpstlichen
Stuhle ein Mann saß, Nicolaus V., der außer
einer gewaltigen staatsmännischen Begabung
glühende Begeisterung für die Wissenschaften
und Künste besaß. Er begann den Neubau der
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Abb.4i
Dom zu Brescia (Text S. K2)
und strebeu im Hintergrunde geradeswegs dem
Riesenbau der Kirche zu (Abb. 2). Schreite noch
nicht weiter, sondern mach es dir erst klar, daß du
nun wirklich da bist, und die Kirche, vor der du
stehst, istSt. Peter inRom! DerGedanke ist so neu,
greift so ans Herz, daß Zeit nötig ist, um der Er-
regung Herr zu werden. Erreicht ist die ruhm-
reichste Kirche der Christenheit, die heilige Stätte,
die wir so oft im Bilde geschaut, nach der wir
uns seit Jugendtagen gesehnt haben, erfüllt ein
höchster, ein heiligster Wunsch! Zögernd, durch-
schauert von Ehrfurcht schreiten wir näher, treten
wir durch die gewaltige Vorhalle ins Jnnere des
Domes. Und alles, was wir bis dahin gehofft,
enipfunden, alles was wir erfüllt sehen, löst sich
anf in brünstigem Gebet.-
Von seiner Weihe crfüllt dürfen wir unsere
Augen zu all der überwältigenden Schönheit er-
heben, die uns rings umgibt. Jn seinem Jnnern
schafft St. Peters Dom noch weit gewaltigere
Empfindungenalsmit seinemÄußern. Dreischiffig
die wnndervolle Halle, gewaltig die Wölbung hoch
über unseren Häuptern (Abb. 48). Vor uns die
Nische des Hauptaltars, zum Teil verdeckt durch
Jerninis riesiges Tabernakel (Abb. 49) mit den
gedrehten Säulen, wo um den Eingang von St.
PetersGruft die vielenLampen brennen. Darüber
strömt das himmlische Licht durch die Fenster der
gewaltigsten, der herrlichsten Kuppel, die über
irgend einer christlichen Kirche der Welt sich auf-
schwingt. Ungewöhnliche Eindrücke kommen erst
langsam zum klaren Bewußtsein. Um was für
Größenverhältnisse es sich in St. Peter handelt,
das will uns fürs erste noch nicht vollauf deutlich
werden. Wohl hat man uns gesagt, wie lang,
wie breit die Schiffe sind, auch zu welcher Höhe
die Spitze der Kuppel bis zum Kreuze sich auf-
schwingt (Abb. 50), aber fürs erste sind das für
uns nur Zahlen. Wir sehen riesige Ausdehnun-
gen, aber es fehlt der Maßstab. Um ihn auf ein-
fache Art zu erlangen, kann ich zwei Mittel nen-
nen. Das eine ist ein Blick zur Galerie der Kup-
pel hinauf, wo Menschen wandern. Wie find sie
so fern und winzig! Und das andere. Gleich beim
Eintritt in den Dom gewahrt man rechts und
links je ein Weihbecken, das von Engeln gehalten
wird (Abb.48). Siescheinenrechtklein und zierlich.
Aber stelle dich neben sie, und du wirst sehen, wie
sie kolossal über dein Haupt hinwegragen! So kom-
men wir allmählich zu einem deutlicheren Begriff
und können nun mit erwachendem Verständnis
dem Bauplane des Riesenwerkes nachsinnen.
An dieser Sielle stand voreinst die altchrist-
liche Kirche des heiligen Petrus, errichtet über
dem Grabe des von Nero getöteten Apostels.
Sie diente als erstes Gotteshaus der Christen-
heit, bis an dem Gebäude in der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts sich die Gebrechen des
Alters zu melden begannen. Damals wollte
es Gottes Weisheit, daß auf dem päpstlichen
Stuhle ein Mann saß, Nicolaus V., der außer
einer gewaltigen staatsmännischen Begabung
glühende Begeisterung für die Wissenschaften
und Künste besaß. Er begann den Neubau der
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