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Die Kunst dem Volke <München> — 1912 (Nr. 9-12)

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Damrich, Joh.: Hans Holbein
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https://doi.org/10.11588/diglit.21074#0017
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Abb, 26 <Text S, tS> St Adrian

Entrvurf zu einem Altarbild

heute im Münster zu Freiburg, Jndes nicht
solche, wenn auch mit allem Fleiß ausgeführte
Werke sind es, an welche wir bei Nennung des
Namens „Holbein" denken, Viel mehr eigentlich
Holbeinisches spricht aus der eigenartigen Darstcl-
lung eines Christus im Grabe (Abb. 23).
die ursprünglich das Predellastück eines verloren
gegangenen Altarwerkes gebildet haben mag.
Allerdings, als religiöses Bild müssen wir sie ab-
lehnen. Von religiös-idealer Auffassung, reli-
giöser Empfindung keine Spur. Aber nie zuvor
ist ein schon im Beginn der Verwesung stehender
Leichnam mit solch rücksichtsloser Naturwahrheit
in Zeichnung und Farbe wiedergegeben worden.
Mit dem scharfen Auge einesStillebemnalers geht
Holbein den individuellsten Bildungen dieses To-
tenleibes nach und sucht das Spiel der grauen und
grünlichen Töne auf der schlaffen Haut herauszu-
bekommen. So weit ist der Realismus getrieben,
daß der Arzt noch heute feststellen kann, es müsse
die Leiche eines Ertrunkenen als Modell gedient
haben, was auch durch die Tradition bestätigt
wird. Das Gemälde ist wie kein zweites charak-

Abb. 27 (Text S. I6> St. Michael

Entwurf zu cincm Glasgemalde

teristisch für den leidenschaftlichen Wirklichkeits-
sinn Holbeins, in der Geschichte der gesamten
Kunst steht es mit seiner unerhörten Naturwahr-
heit geradezu wie ein Markstein der Entwick-
lung da.

Jst der „Leichnam Christi" mehr ein kühnes
Experiment, so haben wir in der Madonna von
Solothurn (Abb. 24) ein auch dem großen Pu-
blikum verständliches, in sich vollendetes Meister-
werk vor uns. Die Anordnung erinnert ja an ita-
lienische Vorbilder, aber der Geist ist unverfälscht
deutsch. Besonders die Madonna mit den lieb-
lich vollen Wangen und dem Ausdruck herzlicher
Güte und anspruchsloser Schüchternheit — womit
das pompöse Faltengewoge des Gewandes in
interessantem Kontraste steht, — kann ihren echt
deutschen Charakter nicht verleugnen. Das Kind
ist mit bis ins Kleinste gehender Naturtreue ge-
bildet. Von den beiden Nebenfiguren ist beson-
ders der hl. Ursus in seiner ernsten, ritterlichen
Männlichkeit eine unvergeßliche Gestalt. Gibt es
überhaupt einen schöneren Dreiklang von Anmut,
Kraft und Güte? Ganz famos ist auch das Stoff-
 
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