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Die Kunst dem Volke <München> — 1913 (Nr. 13-16)

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Ein Besuch im Vatikan
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https://doi.org/10.11588/diglit.21070#0016
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Abb. 16 (Text S. 14)

Konsistorialsaal

Phot. Fclici

hat, wie der Herr ihren Bruder Lazarus aus dem
Grabe erweckt. Jn allen drei Sälen ist der Fuß-
boden mit farbigem Marmor in geometrischen
Figuren bedeckt, die Decke ist Holzdecke in reicher
farbiger und vergoldeter Schnitzerei. Alles un-
beschreiblich vornehm und von ernster Würde:
wir fühlen, daß wir in den Vorzimmern des
größten Herrschers der Welt stehen, dem in
Gehorsam und Liebe über 200 Millionen Willen
und Herzen untertan und ergeben sind.

Kaum waren wir in den Saal der flandrischen
Teppiche eingetreten,
als ein Prälat, einen
violetten Mantel von
Seide über die Schul-
tern, mit freundlichem
Gruß auf uns zutrat
und sich uns als den
Herrn vorstellte, anden
wir besonders empfoh-
len worden waren. Er
sprachfließendDeutsch,
wenn auch mit einem
italienischen Akzent.

„Sie werden",sagte
er lächelnd, „sich wohl
noch eine Stunde ge-
dulden müssen, bevor
Sie den Hl- Vater
sehen, da jetzt ein Kar-
dinal bei ihm Vortrag
hat, und nach diesem
noch einige Bischöfe
und einige vornehme
Damen und Herren
inPrivataudienz emp-
fangen werden. Aber
damit Sie sich nicht
langweilen,wollenwir
die Zeit zu einer Be- Mb. i? (Teu S. 14,

sichtigung der Loggien und Stanzen
Naffaels benutzen. Wie ihr Herr Bischos,
mein alter Studienfreund oon Jnnsbruck
her, mir geschrieben, find die Herrschaften
das erstemal und nur auf zwei Wochen
in der ewigen Stadt, und da müssen Sie
schon die Zeit ausnutzen, um wenigstens
einige Blätter in dem wunderbaren Buche
zu lesen und zu betrachten, das die
astorna R,oina vor Jhnen aufschlägt,
dieses Buch, in dem Millionen gelesen
haben und Millionen lesen werden, und
das doch keiner ganz erfaßt und ver-
standen hat."

Mit einer freundlichen Handbewegung
uns einladend, schritt der Pralat uns
voraus, wieder zurück durch die Vorsäle
und geleitete uns in die Loggien. (Abb.
10.) Es sind das die prächtigen Hallen
auf den drei Seiten nach dem Hofe des
Damasus zu, von denen die eine von
Raffael und seinen Schülern in den zwan-
ziger Jahren des 16. Jahrhunderts, die anderen
später bemalt worden sind; die jüngste Dekora-
tion ist erst unter Pius IX. durch den Maler
Mantovani ausgeführt worden.

Der liebe Gott hatte uns einen sonnigen
Frühlingstag geschenkt, und einen solchen ver-
langen auch die dreihundert Jahre alten Bilder,
wenn ihre Farben zu uns reden sollen.

Unser hoher Führer, ein rüstiger Greis mit
ungemein ansprechenden und edeln Zügen unter
dem dichten schneeweißen Haupthaare, erwies sich

Thronsaal

Phot. Felici
 
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