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Abb. 2g (Text S. 2S)
Raffacl, Papst Lco I. und Attila
Phot. Alinari
Eine selbst auf Jnschriften uns begegnende
Verwechslung verlegt in die Tage Leos 111. und
Karls des Großen ein Ereignis aus der Zeit
Leos IV., denSeesieg überdieSarazenen beiOstia
im Jahre 849, der mit kaiserlichen Hilfstruppen
errungen wurde. So schließt auch Raffael an
die beiden Szenen aus dem Leben Leos III. zwei
weitere Szenen aus dem Leben Leos IV., den
Sieg an der Tibermündung und die Rettung der
Peterskirche vor dem sie bedrohenden Brande
durch das Gebet des Papstes. Auf dem ersteren
Gemälde läßt Leo IV., Hände und Augen dan-
kend zum Himmel erhoben, und auch hier mit den
GesichtszügenLeos X., die kriegsgefangenenSara-
zenen durch seine Soldaten sich vorführen; aus der
Stadt kommen die Römer, dem Papst zu seinem
Siege über die Feinde Glück zu wünschen (Abb.26).
Das andere Bild, nach Raffaels Skizzen aus-
geführt, zeigt Leo IV. wie er von der Loggia der
alten Peterskirche aus den Flammen gebietet,
welche schon das ganze Fremdenviertel der Angel-
sachsen, der Friesen und Franken in Asche gelegt
hatten und jetzt auch die Basilika des Apostels be-
kan stehen, ohne an jenes Mosaikzu denkenundZeit undGeist
und Stilmiteinanderzu vergleichen. JnderinnerenWöibung
der Apsis jenes Trikliniums ist Christns dargestellt, der
seine Apostel in alle Welt zur Verkündigung des Evan-
geliums entsendet. Auf der Stirnseite des Bogens knien
auf der einen Seite neben dem Herrn anf dem Throne
der Kaiser Konstantin und der Papst Silvester, von denen
jener das Labarum, das Kreuzbanner, dieser die Schlüssel
empfängt.. Auf der anderen Seite überreicht der hl. Petrus
dem Papst Leo I!I. das Pallium, als Abzeichen seiner
Würde als Patriarch des Abendlandes, deni KaiserKarl dem
Erotzen die Fahne; die Jnschrift bittet: „Sellger Petrus, ver-
leihe Leben dem Papste Leo und Sieg dem Könige Karl!"
drohten. Es ist ein Bild öoll lebendigster Ve-
wegung: inAngst und Schrecken sucht alles sich vor
derWutdesBrandes zu retten; hier läßt einJüng-
ling sich von der Mauer herab; neben ihm trägt
ein Mann seinen greisen Vater aus den Flammen
auf seinen Schultern; eine Frau reicht aus dem
Fenster ihr Kind einem Freunde, daß er es in
Sicherheit bringe, wenn denn auch sie selber um-
kommen soll; eine andere Frau trägt ein Gefäß
die Treppe hinunter. Das Gemälde hat dem
Saale den Namen 8u1u äsll'ineknckio
gegeben; in der Tat auch verschwinden fast alle
anderen Gemälde vor dieser herrlichen Kom-
position.
Die Lnlnäilülioäoi'o, ganz von Raf-
fael selber bemalt, faßt in vier Szenen das ge-
samte Geschichtsbild der unter dem Schutze Gottes
stehenden, aus aller Bedrängnis durch die Hilfe
des immerdar bei ihr weilenden Herrn geretteten
Kirche zusammen. Die Fresken an der Decke, von
Baldassare Peruzzi gemalt, bevor Raffael seinen
Pinsel auf diese Wände setzte, geben vier Szenen
aus dem Alten Testament: Noe empfängt den
Befehl Gottes, in die Arche zu gehen; Abrahams
Opfer, das der Engel verhindert; Jakob und die
Himmelsleiter; Erscheinung des Herrn vor Moses
im brennenden Dornbusch, also die großen Offen-
barungen Gottes an die Altväter.
Nun besteigt Raffaels Genius das Baugerüst.
Er ist schon fertig mit den großen Problemen,
die hier ihre künstlerische Lösung finden sollen;
Theologen und Humanisten haben ihm Namen
Abb. 2g (Text S. 2S)
Raffacl, Papst Lco I. und Attila
Phot. Alinari
Eine selbst auf Jnschriften uns begegnende
Verwechslung verlegt in die Tage Leos 111. und
Karls des Großen ein Ereignis aus der Zeit
Leos IV., denSeesieg überdieSarazenen beiOstia
im Jahre 849, der mit kaiserlichen Hilfstruppen
errungen wurde. So schließt auch Raffael an
die beiden Szenen aus dem Leben Leos III. zwei
weitere Szenen aus dem Leben Leos IV., den
Sieg an der Tibermündung und die Rettung der
Peterskirche vor dem sie bedrohenden Brande
durch das Gebet des Papstes. Auf dem ersteren
Gemälde läßt Leo IV., Hände und Augen dan-
kend zum Himmel erhoben, und auch hier mit den
GesichtszügenLeos X., die kriegsgefangenenSara-
zenen durch seine Soldaten sich vorführen; aus der
Stadt kommen die Römer, dem Papst zu seinem
Siege über die Feinde Glück zu wünschen (Abb.26).
Das andere Bild, nach Raffaels Skizzen aus-
geführt, zeigt Leo IV. wie er von der Loggia der
alten Peterskirche aus den Flammen gebietet,
welche schon das ganze Fremdenviertel der Angel-
sachsen, der Friesen und Franken in Asche gelegt
hatten und jetzt auch die Basilika des Apostels be-
kan stehen, ohne an jenes Mosaikzu denkenundZeit undGeist
und Stilmiteinanderzu vergleichen. JnderinnerenWöibung
der Apsis jenes Trikliniums ist Christns dargestellt, der
seine Apostel in alle Welt zur Verkündigung des Evan-
geliums entsendet. Auf der Stirnseite des Bogens knien
auf der einen Seite neben dem Herrn anf dem Throne
der Kaiser Konstantin und der Papst Silvester, von denen
jener das Labarum, das Kreuzbanner, dieser die Schlüssel
empfängt.. Auf der anderen Seite überreicht der hl. Petrus
dem Papst Leo I!I. das Pallium, als Abzeichen seiner
Würde als Patriarch des Abendlandes, deni KaiserKarl dem
Erotzen die Fahne; die Jnschrift bittet: „Sellger Petrus, ver-
leihe Leben dem Papste Leo und Sieg dem Könige Karl!"
drohten. Es ist ein Bild öoll lebendigster Ve-
wegung: inAngst und Schrecken sucht alles sich vor
derWutdesBrandes zu retten; hier läßt einJüng-
ling sich von der Mauer herab; neben ihm trägt
ein Mann seinen greisen Vater aus den Flammen
auf seinen Schultern; eine Frau reicht aus dem
Fenster ihr Kind einem Freunde, daß er es in
Sicherheit bringe, wenn denn auch sie selber um-
kommen soll; eine andere Frau trägt ein Gefäß
die Treppe hinunter. Das Gemälde hat dem
Saale den Namen 8u1u äsll'ineknckio
gegeben; in der Tat auch verschwinden fast alle
anderen Gemälde vor dieser herrlichen Kom-
position.
Die Lnlnäilülioäoi'o, ganz von Raf-
fael selber bemalt, faßt in vier Szenen das ge-
samte Geschichtsbild der unter dem Schutze Gottes
stehenden, aus aller Bedrängnis durch die Hilfe
des immerdar bei ihr weilenden Herrn geretteten
Kirche zusammen. Die Fresken an der Decke, von
Baldassare Peruzzi gemalt, bevor Raffael seinen
Pinsel auf diese Wände setzte, geben vier Szenen
aus dem Alten Testament: Noe empfängt den
Befehl Gottes, in die Arche zu gehen; Abrahams
Opfer, das der Engel verhindert; Jakob und die
Himmelsleiter; Erscheinung des Herrn vor Moses
im brennenden Dornbusch, also die großen Offen-
barungen Gottes an die Altväter.
Nun besteigt Raffaels Genius das Baugerüst.
Er ist schon fertig mit den großen Problemen,
die hier ihre künstlerische Lösung finden sollen;
Theologen und Humanisten haben ihm Namen