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worden, „in einer der blutigsten Schlachten, die
seit den Tagen der Völkerwanderung auf italieni-
schem Boden geschlagen worden sind". Rom war
voll Angst und Schrecken; man fürchtete eine
Plünderung; ein Teil des römischen Adels neigte
sich den Siegern zu; in Mailand verstieg sich der
rebellische Kardinal Carvajal und sein Anhang,
auf Frankreichs Hilfe vertrauend, so weit, die
Absetzung des Papstes auszusprechen: Was sollte
aus dem Konzil werden, das am 2. Mai im
Lateran eröffnet werden sollte? Julius allein
blieb mit bewunderungswürdiger Kraft un-
gebeugt. Wider alle
menschliche Berech-
nung erfolgte, zum
Teildurchdas Ein-
greifen der Schwei-
zer, die mit 18000
Mann dem Papste
zu Hilfe eilten, der
Ilmschlag; schon
Mitte Juni waren
die Franzosen aus
ganz Jtalien ver-
trieben; der Papst
hattedasKonzilam
festgesetzten Tage
eröffnen können').
Hatte nicht gleich-
sam ein Engel des
Herrn den Nach-
folger Petri aus
drohendster Be-
drängnis hinaus-
geführt?
Die Erinnerung
an diese Ereignisse
spielt noch in das
große Gemälde,
Papst Leo I. und
Attila, schon da-
durch hinein, daß
der Hunnenkönig
mitdenZügenLud-
wig XII. gemalt ist
(Abb. 29). Nach-
dem Attila Aqui-
leja in Asche gelegt, zog er 452 mit seinen Bar-
baren südwärts, wo ihm der Weg nach Rom
pffen stand, Rom das Schicksal Aquilejas be-
fürchten mußte. Da zog ihm der Papst, ein
wehrloser Priester, entgegen, und durch die
Macht seines Wortes bewog er den König
Zum Rückzuge. Die Legende läßt neben dem
Papst die beiden Apostelfürsten mit gezückten
Schwertern erscheinen, um Attila zurückzutreiben.
üuf unserem Gemälde reitet Leo auf weißem
Zelter unter Vortragung des Kreuzes und er-
scheint so, von zwei Kardinälen und anderem Ge-
solge begleitet, vor Attila, der über dem Papste
0 Vgl. Pastor, Eeschichte der Päpste, III. Band, S. 750f.
in den Lüften die Apostel erblickt. Der Schrecken,
der ihn erfaßt, hat sich auch schon seiner Hunnen
bemächtigt, welche die Flucht ergreifen. —
Wenn aber in allen Bedrängnissen der Kirche
der Heiland schützend und rettend bei den Sei-
nen bleibt alle Tage bis ans Ende der Welt,
dann ist er nicht bloß mit seiner himmlischen
Macht, er ist bei ihr im hl. Sakrament. So
bildet dann die Messe von Bolsena den
sinnigenAbschlußderBilderdiesesSaales (Abb.30).
Ein Priester aus Böhmen unternahm um das
Jahr 1280 eine Wallfahrt nach Rom, um dadurch
von den quälenden
Glaubenszweifeln'
an der Gegenwart
Christi in der Eu-
charistie befreit zu
werden. Als er in
Bolsena am Grabe
derhl. Christina die
hl. Messe ffeierte,
nahm bei der Kon-
sekration des Kel-
ches das Blut des
Heilandes die na-
türliche Farbe an;
einigeTropfen des-
selbenfielenaufdas
Korporale.—Papst
Julius II. hatte
1506 in Orvieto,
dessen herrlicher
DomzumAndenken
an dieses Wunder
1290erbautworden
ist, das Korporale
mit den (noch heute
sichtbaren) Bluts-
tropfen verehrt: so
lag es für ihn nahe,
zur Verherrlichung
des Altarsakra-
ments gerade die-
ses Wunder dar-
stellen zu lassen.
Raffael hat sich des
Auftrags in un-
übertrefflicher Weise erledigt. Der Priester steht
im Moment der Konsekration am Altar; ihm
gegenüber kniet der Papst, in glaubenssicherer
Andacht das hl. Sakrament anbetend, während
die Männer und Frauen, die Zeugen des Wunders,
von lebhafter Überraschung ergriffen sind. —
Raffael malte an dem Bilde, während Julius
auf dem Krankenbette lag, von dem er sich nicht
mehr erheben sollte; so klingt des großsinnigen
Papstes Leben aus in einem wunderbarenFarben-
hhmnus auf das hl. Sakrament. Julius hat die
Vollendung des Gemäldes nicht erlebt, ebenso
wie dem Künstler der Pinsel der sterbenden Hand
entfiel, als er seine unsterbliche Transfiguration,
die Verklärung auf Tabor, malte. Krank und
Abb. 32 <Tcxt S. 28) Raffacl, Pocsie Phot. Andcrson
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worden, „in einer der blutigsten Schlachten, die
seit den Tagen der Völkerwanderung auf italieni-
schem Boden geschlagen worden sind". Rom war
voll Angst und Schrecken; man fürchtete eine
Plünderung; ein Teil des römischen Adels neigte
sich den Siegern zu; in Mailand verstieg sich der
rebellische Kardinal Carvajal und sein Anhang,
auf Frankreichs Hilfe vertrauend, so weit, die
Absetzung des Papstes auszusprechen: Was sollte
aus dem Konzil werden, das am 2. Mai im
Lateran eröffnet werden sollte? Julius allein
blieb mit bewunderungswürdiger Kraft un-
gebeugt. Wider alle
menschliche Berech-
nung erfolgte, zum
Teildurchdas Ein-
greifen der Schwei-
zer, die mit 18000
Mann dem Papste
zu Hilfe eilten, der
Ilmschlag; schon
Mitte Juni waren
die Franzosen aus
ganz Jtalien ver-
trieben; der Papst
hattedasKonzilam
festgesetzten Tage
eröffnen können').
Hatte nicht gleich-
sam ein Engel des
Herrn den Nach-
folger Petri aus
drohendster Be-
drängnis hinaus-
geführt?
Die Erinnerung
an diese Ereignisse
spielt noch in das
große Gemälde,
Papst Leo I. und
Attila, schon da-
durch hinein, daß
der Hunnenkönig
mitdenZügenLud-
wig XII. gemalt ist
(Abb. 29). Nach-
dem Attila Aqui-
leja in Asche gelegt, zog er 452 mit seinen Bar-
baren südwärts, wo ihm der Weg nach Rom
pffen stand, Rom das Schicksal Aquilejas be-
fürchten mußte. Da zog ihm der Papst, ein
wehrloser Priester, entgegen, und durch die
Macht seines Wortes bewog er den König
Zum Rückzuge. Die Legende läßt neben dem
Papst die beiden Apostelfürsten mit gezückten
Schwertern erscheinen, um Attila zurückzutreiben.
üuf unserem Gemälde reitet Leo auf weißem
Zelter unter Vortragung des Kreuzes und er-
scheint so, von zwei Kardinälen und anderem Ge-
solge begleitet, vor Attila, der über dem Papste
0 Vgl. Pastor, Eeschichte der Päpste, III. Band, S. 750f.
in den Lüften die Apostel erblickt. Der Schrecken,
der ihn erfaßt, hat sich auch schon seiner Hunnen
bemächtigt, welche die Flucht ergreifen. —
Wenn aber in allen Bedrängnissen der Kirche
der Heiland schützend und rettend bei den Sei-
nen bleibt alle Tage bis ans Ende der Welt,
dann ist er nicht bloß mit seiner himmlischen
Macht, er ist bei ihr im hl. Sakrament. So
bildet dann die Messe von Bolsena den
sinnigenAbschlußderBilderdiesesSaales (Abb.30).
Ein Priester aus Böhmen unternahm um das
Jahr 1280 eine Wallfahrt nach Rom, um dadurch
von den quälenden
Glaubenszweifeln'
an der Gegenwart
Christi in der Eu-
charistie befreit zu
werden. Als er in
Bolsena am Grabe
derhl. Christina die
hl. Messe ffeierte,
nahm bei der Kon-
sekration des Kel-
ches das Blut des
Heilandes die na-
türliche Farbe an;
einigeTropfen des-
selbenfielenaufdas
Korporale.—Papst
Julius II. hatte
1506 in Orvieto,
dessen herrlicher
DomzumAndenken
an dieses Wunder
1290erbautworden
ist, das Korporale
mit den (noch heute
sichtbaren) Bluts-
tropfen verehrt: so
lag es für ihn nahe,
zur Verherrlichung
des Altarsakra-
ments gerade die-
ses Wunder dar-
stellen zu lassen.
Raffael hat sich des
Auftrags in un-
übertrefflicher Weise erledigt. Der Priester steht
im Moment der Konsekration am Altar; ihm
gegenüber kniet der Papst, in glaubenssicherer
Andacht das hl. Sakrament anbetend, während
die Männer und Frauen, die Zeugen des Wunders,
von lebhafter Überraschung ergriffen sind. —
Raffael malte an dem Bilde, während Julius
auf dem Krankenbette lag, von dem er sich nicht
mehr erheben sollte; so klingt des großsinnigen
Papstes Leben aus in einem wunderbarenFarben-
hhmnus auf das hl. Sakrament. Julius hat die
Vollendung des Gemäldes nicht erlebt, ebenso
wie dem Künstler der Pinsel der sterbenden Hand
entfiel, als er seine unsterbliche Transfiguration,
die Verklärung auf Tabor, malte. Krank und
Abb. 32 <Tcxt S. 28) Raffacl, Pocsie Phot. Andcrson
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