Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst dem Volke <München> — 1913 (Nr. 13-16)

DOI Heft:
Ein Besuch im Vatikan
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.21070#0038
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Abb. 43 (Tert S. 42) Pigncnhof Phot. Anderson

„Raffaelund Michelangelo," sagte der Herr Prä-
lat, „wollen nicht miteinander verglichen, siewollen
jeder für sich genossen werden; wenn aber der eine
mit übermenschlicher Wucht mich niederdrückt,
dann atme ich wie vom Banne befreit wieder auf,
wenn ich in die Stanzen Raffaels flüchte, wenn
ich von Michelangelos zürnendem Weltrichter
zu dem Erlöser ausschaue, der in göttlichem Er-
barmen mir seine Wundmale zeigt, durch die er
mich erlöst hat."

IV.

Der päpstliche Garten.

Villa Pius IV. — Die Grotte von Lourdes —
Die Sternwarte — Springbrunnen.

Wenn man Jtalien mit Recht den Garten
Europas nennt, könnte dann Rom des besonderen
Schmuckes der Gärten entbehren? Jm Altertume
hieß der jetzige Pincio der 6 ol 11 8 1i o r t o-
i'u rn, Hügel der Gärten; an ihn stießen die Gär-
ten des Sallust und weiter auf dem Esquilin die
des Maecenas, während auf dem anderen Tiber-
ufer an den Abhängen des heutigen Monte
verde die Gärten Cäsars, im vatikanischen
Gebiete aber die Gärten der Agrippina sich aus-
dehnten, die später in den Besitz Neros kamen.

Heute ist der Pincio, der im Mittelalter zu
einem Rebengelände mit eingestreuten Bauern-
häusern geworden, wieder ein eotlis llorto-
rum durch die reichen Anlagen, die erst in den
letzten Jahren mit denen der Villa Borghese zu
einem riesigen Gartenkomplex mit buntester Man-
nigfaltigkeit einer tropischen Vegetation geworden
sind. Zu beiden Seiten der Via Salaria und
Nomentana reihen sich weit hinunter die Villen
des römischen Adels; die Via Appia hat erst in
neuester Zeit ihre Anlagen erhalten, denen die
mächtigen Ruinen der Bäder des Caracalla ein
ganz eigenes Gepräge verleihen. Jnnerhalb der
Stadt dehnen sich auf den Höhen des Coelius die
Gärten der Villa coelimontana und, anstoßend an
den Palast des Quirinal, die leider nur schwer zu-
gänglichen königlichen Gärten aus; die farnesini-
schen Gärten winden ihren Blumenflor zu Toten-
kränzen um die Ruinen der alten Kaiserpaläste
des Palatin. Reich an Abwechslung wie an Aus-
sichtspunkten ist die Villa Doria Pamfili auf dem
rechten Tiberufer; dieAnlagen auf demJaniculus
wurden der entzückenden Aussicht wegen schon
von den Alten das achte Weltwunder genannt.

Neben diesen Gärten ist der vatikanische, sowohl
was Ausdehnung, als was den Schmuck der Vege-
tation betrifft,recht bescheiden. Was ihm landschaft-
lich einen eigenartigen Charakter aufprägt, sind
die beiden mächtigen Rundtürme mit der sie ver-
bindenden Mauer, Überreste der mittelalterlichen
Befestigungen Leos IV. (Abb. 35). Heute sind auf
 
Annotationen