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Abb. S2 (Tcxt S. 4L)
Pinturicchio, Mariyrium dcs hl. Scbastiunus
Phot. Andcrsou
Frauen im Hintergrunde und zu beiden Seiten
geben dem Erstaunen über die plötzliche Heilung
des Lahmen Ausdruck. — Zu den herrlichsten
Kompositionen gehört die Opferszene zu Lystra.
Wegen der wunderbaren Heilung eines Lahmen
sehen die Bewohner der Stadt in Paulus und sei-
nem Begleiter Barnabas eine Erscheinung der
Götter und beeilen sich, ihnen einOpfer zu schlach-
ten. Da zerreißt Paulus die Kleider und ruft dem
Volke zu: „Auch wir sind Menschen, wie ihr, und
wir sind nur zu euch gekommen, daß ihr euch von
den Götzen zu dem lebendigen Gott wendet." Das
Wort wirkt; ein Jüngling fällt dem Priester in
den Arm, daß er das Opfer unterlasse. — Bei der
Befreiung des Apostels aus dem Kerker zu Phi-
lippi bringt Raffael das Erdbeben dadurch zur
Anschauung, daß ein riesenhafter Dämon die
Fundamente erschüttert. — Jn der Rede vor dem
Areopag zu Athen steht Paulus mit erhobenen
Händen auf der Plattform einer Treppe; willig
und freudig nehmen die einen, zweifelnd und mit
höhnischem Unglauben die andern unter seinen
Zuhörern die neue Lehre auf. — So ist jedsr ein-
zelne der raffaelitischen Teppiche reich an eigen-
artigen Schönheiten bei einer staunenswürdigen
Mannigfaltigkeit der Handlung wie der Szenerie,
und wir verstehen das Entzücken der Römer, als
sie diese Arrazzi noch neu und in ihrem ganzen
ursprünglichen Glanze zum ersten Male an den
Wänden der Ouxslln Llstinu erblickten. Papst
Leo X. hatte auf eine neue Seite in dem Buche
der Kunstgeschichte seinen Namen durch die Hand
des größten Meisters in goldenen Buchstaben
schreiben lassen. — Heute sehen wir nur einen
einzigen dieser Teppiche bei besonderen Feier-
lichkeiten in der Sixtma als Altarbild verwendet,
mit der allegorischen Darstellung der Liebe und
der Gerechtigkeit, neben der auf der Erdkugel
thronenden lüeLlssiu und den beiden Löwen
als Bannerträgern der Kirche.
VI.
^ppavtliinoiito Loi's'iu.
Wohnung des Papstes Alexander VI.
— Die hl. Katharina von Alexandria
und andere Bilder von Pinturicchio.
Da wir für den Nachmittag eine Fahrt nach
Sankt Paul und Trefontane geplant hatten, so
war der heutige Besuch des Vatikan auf den
Garten und die Galerie der Teppiche beschränkt
worden; wir standen im Begriffe fortzugehen,
als ein Diener uns eine Karte des Prälaten über-
reichte, der uns im Appartamento Borgia erwarte.
Das war sonst heute dem Publikum verschlossen;
der Prälat mußte also eine eigene Erlaubnis für
uns allein erwirkt haben.
Der Weg führte uns über einen großen Hof,
der den Namen oortilo clslla xiAna von
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Abb. S2 (Tcxt S. 4L)
Pinturicchio, Mariyrium dcs hl. Scbastiunus
Phot. Andcrsou
Frauen im Hintergrunde und zu beiden Seiten
geben dem Erstaunen über die plötzliche Heilung
des Lahmen Ausdruck. — Zu den herrlichsten
Kompositionen gehört die Opferszene zu Lystra.
Wegen der wunderbaren Heilung eines Lahmen
sehen die Bewohner der Stadt in Paulus und sei-
nem Begleiter Barnabas eine Erscheinung der
Götter und beeilen sich, ihnen einOpfer zu schlach-
ten. Da zerreißt Paulus die Kleider und ruft dem
Volke zu: „Auch wir sind Menschen, wie ihr, und
wir sind nur zu euch gekommen, daß ihr euch von
den Götzen zu dem lebendigen Gott wendet." Das
Wort wirkt; ein Jüngling fällt dem Priester in
den Arm, daß er das Opfer unterlasse. — Bei der
Befreiung des Apostels aus dem Kerker zu Phi-
lippi bringt Raffael das Erdbeben dadurch zur
Anschauung, daß ein riesenhafter Dämon die
Fundamente erschüttert. — Jn der Rede vor dem
Areopag zu Athen steht Paulus mit erhobenen
Händen auf der Plattform einer Treppe; willig
und freudig nehmen die einen, zweifelnd und mit
höhnischem Unglauben die andern unter seinen
Zuhörern die neue Lehre auf. — So ist jedsr ein-
zelne der raffaelitischen Teppiche reich an eigen-
artigen Schönheiten bei einer staunenswürdigen
Mannigfaltigkeit der Handlung wie der Szenerie,
und wir verstehen das Entzücken der Römer, als
sie diese Arrazzi noch neu und in ihrem ganzen
ursprünglichen Glanze zum ersten Male an den
Wänden der Ouxslln Llstinu erblickten. Papst
Leo X. hatte auf eine neue Seite in dem Buche
der Kunstgeschichte seinen Namen durch die Hand
des größten Meisters in goldenen Buchstaben
schreiben lassen. — Heute sehen wir nur einen
einzigen dieser Teppiche bei besonderen Feier-
lichkeiten in der Sixtma als Altarbild verwendet,
mit der allegorischen Darstellung der Liebe und
der Gerechtigkeit, neben der auf der Erdkugel
thronenden lüeLlssiu und den beiden Löwen
als Bannerträgern der Kirche.
VI.
^ppavtliinoiito Loi's'iu.
Wohnung des Papstes Alexander VI.
— Die hl. Katharina von Alexandria
und andere Bilder von Pinturicchio.
Da wir für den Nachmittag eine Fahrt nach
Sankt Paul und Trefontane geplant hatten, so
war der heutige Besuch des Vatikan auf den
Garten und die Galerie der Teppiche beschränkt
worden; wir standen im Begriffe fortzugehen,
als ein Diener uns eine Karte des Prälaten über-
reichte, der uns im Appartamento Borgia erwarte.
Das war sonst heute dem Publikum verschlossen;
der Prälat mußte also eine eigene Erlaubnis für
uns allein erwirkt haben.
Der Weg führte uns über einen großen Hof,
der den Namen oortilo clslla xiAna von
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