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Abb. 3 Luca della Nobbia, Madonna von Engeln verehrt.
Stuckrelief. Oxford, Ashmolean-Museum (Text S. 5)
lorenz, die Stadt der Blumen!
Sie sprießen, leuchten und duften
dort, wo der Arno durch sein Tal
dahinzieht, wo sanfte und ernste
Linien von Bergzügen ihn beglei-
chen, wo die Türme und Paläste der alten herr-
lichen Stadt in seinen Fluten flimmernd sich
spiegeln. Und über all dem Schönen, Ehrwürdigen,
Holden und Ernsten wölbt sich tiefblau der Him-
mel des Südens. An dieser Stätte lebten Ge-
schlechter, die mit Herrschersinn und Trotz edelste
Zartheit des Gemütes verbanden, Menschen der
Tat, des Gedankens, des Gefühls, wurzelnd in
der Wirklichkeit und durstig suchend nach Schön-
heit bis über die Grenzen des Erkennbaren hinaus.
s- Jn Florenz an weitem Platze steht wuchtig
und düster der alte Palast der Herren dieses
Volkes, daneben leuchtet unverwelklich die Blume
der Kunst, der Schönheit in der Loggia de'
Lanzi. Über diesen Platz ist dereinst Dante ge-
schritten, und um den Sänger, den Denker, den
glühenden Lobpreiser seines Vaterlandes brauste
der Lärm des Marktes, des Handels, des Ver-
kehrs, der diese Stadt zu gefestigtem und frucht-
barem Reichtum gebracht hatte.
Die Bildhauerei hatte geholfen, die ernsten,
gewaltigen Bauwerke dieser Stadt sinnvoll zu
schmücken; die starren Gebilde des rechnenden
Architekten hatte sie mit den Gedanken des Prie-
sters, des Philosophen erfüllt und belebt. Streng
begann sie ihre lehrhafte, volkserzieherische Tätig-
keit. Aber allmählich wich die Strenge, dem
harten Stamm entsprossen zarte Blüten, leuch-
tend, duftig, der echte Schmuck dieser Blumen-
stadt. Und jener, der sie zur Entfaltung brachte,
der mit unendlicher, ständig zunehmender Fein-
heit und Liebe sie Pflegte, veredelte, herrliche
Früchte aus ihnen reifen ließ und Kränze dar-
aus wand, die er der Welt zum Geschenk dar-
reichte, das war Luca della Robbia.
Für lange Zeit hinaus war er der letzte,
der es vermochte, der Kunst neue Wege zu weisen.
Erst lange nach ihm — aber wie anders! — über-
nahm Michelangelo wieder solche Führung. Nicht
Übergewaltiges wie jener Heros der späteren
Zeit, aber Großes und Schönes erreichte Luca.
Das ward ihm zuteil, weil er eine fest in sich ab-
geschlossene Persönlichkeit war und dabei mit allen
Fasern in seiner Zeit und in der Art seines
Volkes wurzelte. Der Boden war bereitet, auf
welchem er die Blumen seiner Kunst ersprießen
lassen konnte — es war der Boden einer im
höchsten Grade verfeinerten Kultur, eines nach
innen gerichteten Denkens. Darum mußte es so
kommen, daß Luca della Robbia keine großen
Statuen schuf, aber unter seinen Händen klärte
sich die zarte Reliefkunst zur äußersten Feinheit
und Gedankentiefe ab und wurde das Kenn-
zeichen gerade seiner Richtung. Auch konnte es
eigentlich gar nicht anders sein, als daß er in
seinen Reliefs keine geschichtlichen, keine stark
bewegten Szenen aufführte. Donatello tat das
noch, aber er trat ab vom Schauplatz und über-
ließ Luca das Feld. Dessen schlichte, einfache,
stille Werke mit ihren ein, zwei Personen, die an
nichts Jrdisches, an keine Unruhe, keinen Kampf
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Abb. 3 Luca della Nobbia, Madonna von Engeln verehrt.
Stuckrelief. Oxford, Ashmolean-Museum (Text S. 5)
lorenz, die Stadt der Blumen!
Sie sprießen, leuchten und duften
dort, wo der Arno durch sein Tal
dahinzieht, wo sanfte und ernste
Linien von Bergzügen ihn beglei-
chen, wo die Türme und Paläste der alten herr-
lichen Stadt in seinen Fluten flimmernd sich
spiegeln. Und über all dem Schönen, Ehrwürdigen,
Holden und Ernsten wölbt sich tiefblau der Him-
mel des Südens. An dieser Stätte lebten Ge-
schlechter, die mit Herrschersinn und Trotz edelste
Zartheit des Gemütes verbanden, Menschen der
Tat, des Gedankens, des Gefühls, wurzelnd in
der Wirklichkeit und durstig suchend nach Schön-
heit bis über die Grenzen des Erkennbaren hinaus.
s- Jn Florenz an weitem Platze steht wuchtig
und düster der alte Palast der Herren dieses
Volkes, daneben leuchtet unverwelklich die Blume
der Kunst, der Schönheit in der Loggia de'
Lanzi. Über diesen Platz ist dereinst Dante ge-
schritten, und um den Sänger, den Denker, den
glühenden Lobpreiser seines Vaterlandes brauste
der Lärm des Marktes, des Handels, des Ver-
kehrs, der diese Stadt zu gefestigtem und frucht-
barem Reichtum gebracht hatte.
Die Bildhauerei hatte geholfen, die ernsten,
gewaltigen Bauwerke dieser Stadt sinnvoll zu
schmücken; die starren Gebilde des rechnenden
Architekten hatte sie mit den Gedanken des Prie-
sters, des Philosophen erfüllt und belebt. Streng
begann sie ihre lehrhafte, volkserzieherische Tätig-
keit. Aber allmählich wich die Strenge, dem
harten Stamm entsprossen zarte Blüten, leuch-
tend, duftig, der echte Schmuck dieser Blumen-
stadt. Und jener, der sie zur Entfaltung brachte,
der mit unendlicher, ständig zunehmender Fein-
heit und Liebe sie Pflegte, veredelte, herrliche
Früchte aus ihnen reifen ließ und Kränze dar-
aus wand, die er der Welt zum Geschenk dar-
reichte, das war Luca della Robbia.
Für lange Zeit hinaus war er der letzte,
der es vermochte, der Kunst neue Wege zu weisen.
Erst lange nach ihm — aber wie anders! — über-
nahm Michelangelo wieder solche Führung. Nicht
Übergewaltiges wie jener Heros der späteren
Zeit, aber Großes und Schönes erreichte Luca.
Das ward ihm zuteil, weil er eine fest in sich ab-
geschlossene Persönlichkeit war und dabei mit allen
Fasern in seiner Zeit und in der Art seines
Volkes wurzelte. Der Boden war bereitet, auf
welchem er die Blumen seiner Kunst ersprießen
lassen konnte — es war der Boden einer im
höchsten Grade verfeinerten Kultur, eines nach
innen gerichteten Denkens. Darum mußte es so
kommen, daß Luca della Robbia keine großen
Statuen schuf, aber unter seinen Händen klärte
sich die zarte Reliefkunst zur äußersten Feinheit
und Gedankentiefe ab und wurde das Kenn-
zeichen gerade seiner Richtung. Auch konnte es
eigentlich gar nicht anders sein, als daß er in
seinen Reliefs keine geschichtlichen, keine stark
bewegten Szenen aufführte. Donatello tat das
noch, aber er trat ab vom Schauplatz und über-
ließ Luca das Feld. Dessen schlichte, einfache,
stille Werke mit ihren ein, zwei Personen, die an
nichts Jrdisches, an keine Unruhe, keinen Kampf
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