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Die Kunst dem Volke <München> — 1913 (Nr. 13-16)

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Die Künstlerfamilie della Robbia
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https://doi.org/10.11588/diglit.21070#0057
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Abb. 15u. 18 Luca dclla Nobbia, Mcdaillons mit Apostelfiguren. Pazzi-Kapclle, Florcuz (Tcrt S. 15i

in die Lüfte. An seinen Außenwänden aber
mahnen sechsundzwanzig Reliefdarstellungen,
alle von gleicher sechseckiger Form, in tiefsinnigen
Bildern daran, daß es über der Schönheit, welche
die Sinne gefangen nimmt, eine höhere, beherr-
schende des Geistes gibt. Wie die menschliche
Kultur aus Uranfängen sich entwickelt hat, wie in
der menschlichen Seele die Tugenden sich heraus-
bildeten, um herrliche Erfüllung in den Werken
der Barmherzigkeit zu finden, nicht minder auch
die nach Meinung der Vergangenheit schicksals-
lenkenden Planeten, endlich die heiligen Sakra-
mente, das alles schildern jene Werke. Nur zwei
von ihnen hatte Giotto noch selbst ausführen
können, dann nahm sich der Bildhauer Andrea
Pisano der Aufgabe an, um wiederum schließlich
einen Rest übrig zu lassen. Auch diesen noch aus-
zuführen und so dem Ganzen die Vollendung zu
geben, ward Luca della Robbia berufen. Er hat
die noch fehlenden fünf Reliefs am Flo-
rentiner Domturm im Jahre 1434 ausge-
führt. Jhr Stil scheint anzudeuten, daß Luca
dieEntwürse in einerZeit gemacht hat, wo er noch
zu keiner ganz eigenen und persönlichen Art durch-
gedrungen war. Vielleicht lagen auch bereits
Zeichnungen des Andrea Pisano vor, und das
hat viel für sich, weil der alte Meister doch sicher
einen Plan für das Ganze ausgearbeitet haben

wird. So hätte also Luca keine volle Freiheit ge-
habt, und in der Tat glaubt man zu empfinden,
wie er sich nur gezwungen mit seiner Aufgabe ab-
gefunden hat. Die Musik, verkörpert in dem sagen-
haften griechischen Sänger Orpheus (Abb. 9)
und die Harmonie in der des biblischen Tu-
balkain (Abb. 10) sind am freiesten und besten
gelungen, recht naturwahr ist auch die Schilde-
rung der Grammatik (Abb. 11) mit der trefflichen
dozierenden Bewegung des Lehrers und der ge-
spannten Aufmerksamkeit der jugendlichen Schü-
ler. Dagegen tritt die Dialektik (Abb. 12) und
besonders die Arithmetik (Abb. 8),7pvor allem
wenn man sie mit den Meisterwerken des alten
Pisano vergleicht, doch zurück. Freilich fehlt es
auch hier nicht an Feinheiten. Wie eindringlich
ist das Nachsinnen der beiden orientalischen
Mathematiker charakterisiert, wie naturwahr sind
die beiden griechischen Rhetoriker, von denen der
eine sich auf sein Buch versteift, während der
andere in Erregung ihm seinen Jrrtum beweisen
will. Unverkennbar ist hier in der Art, den Ge-
danken durch eine zwischen zwei Personen spie-
lende Szene auszndrücken, sowie in den Bewe-
gungen der Einfluß von Donatello's Reliefs auf
seinen Bronzetüren der Florentiner Kirche S.Lo-
renzo. Für Szenen dieser Art gab es Vorbilder
schon aus früherer mittelalterlicher Zeit; sie

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