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Die Kunst dem Volke <München> — 1913 (Nr. 13-16)

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Die Künstlerfamilie della Robbia
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https://doi.org/10.11588/diglit.21070#0071
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Abb. 38 Luca dclla Robbia, Anbetung dcr Hirtcn

South Kcnsington-Muscum, London <Text S. 24)

irdisches richten, und wie sie, mit dem Kinde
beschäftigt, schwermütig dessen künftiges Leiden
und Sterben vorausahnt. Seltener sind jene
Marien, die das Kind anlächeln oder gar mit ihm
spielen. Zu der ersteren feierlichen Art gehört ein
Türrelies, welches sich bis in neue Zeit an der
leider abgebrochenen Kirche S.Pierino (am Alten
Markte zu Florenz) befand (Abb. 31). Wie aus
himmlischen Höhen ist die Gnadenreiche, von zwei
Engeln gefolgt, herniedergeschwebt, freundlich
und ernst blickt sie auf das Gewühl des Volkes,
segnend erhebt das Kind sein Händchen. Eine
wuchtige Einrahmung umgibt das schöne Bild,
aber der Ernst wird gemildert durch die lachende
Schönheit einer reichen Blumenguirlande. Die
Madonna von S. Pierino hat man in das Museo
nazionale übertragen, und da fühlt man nun frei-
lich von den feinen Beziehungen nichts mehr, die
einst dieses Werk mit seinem Orte verbanden. Das
gleiche ist auch mit der herrlichen Madonnen-
gruppe der Fall, die bis 1903 den Eingang
eines Frauenklosters in der Via dell' Agnolo
schmückte. Wie vieles des Feinsten geht ver-
loren, wie vieles auch von der künstlerischen Wir-
kung, wenn man Kunstwerke aus dem Zusammen-
hange reißt, für den sie mit erlesenstem Takte be-
rechnet waren. Groß ist die Anzahl der Ma-
donnen, die Luca nur in Halbfigur dargestellt
hat. Zu ihnen gehört unter anderm jene herr-
liche Figur am Findelhause (Ospedale degli
Jnnocenti) zu Florenz (Abb. 33). Ein überaus

anmutiges Werk, das jener verwandt ist, besitzt
das Berliner Kaiser-Friedrich-Museum, eine an
Robbia-Werken ungemein reiche Sammlung. Die
Madonna, deren wir hier gedenken (Abb. 34),
ist ein aufs Feinste bemaltes, nicht für Glasierung
bestimmtes Tonwerk, die Figuren lebensgroß,
das Ganze mit seinen vollen schönen Farben und
dem reichen Goldschmucke von herrlicher, festlicher
Wirkung. Von jenen Madonnen, die Luca in
ganzer Figur dargestellt hat, ist eine der schönsten
jene, welche er in einem Rosenhage thronen läßt
(Abb. 35). Sie vereinigt Züge des Göttlichen
mit solchen des Jrdischen. Reizend genrehaft, da-
bei tiefer Bedeutung voll ist es, wie das Kind mit
der rechten Hand den symbolischen Apfel hält,
während es sich den Rosen zuwendet und mit der
Linken nach ihnen greift. Die fünfblättrige Rose
findet sich als Symbol der Verschwiegenheit häu-
fig an Beichtstühlen abgebildet; sollte auch hier
eine ähnliche Beziehung angedeutet sein? Mit
frommer Begeisterung zeigt Luca die Madonna
auch gern, wie sie das Kind anbetet, während
Engelchöre jauchzend das Gloria dazu singen
(Abb. 1). Aber nicht minder schön sind jene
mütterlichen Marien, bei denen das menschliche
Verhältnis zu ihrem Kinde in oft wahrhaft
rührender Weise zum Ausdruck kommt. So ist
von lieblichstem Reize ein solches Madonnenrelief
im Hofe der Akademie zu Florenz. Ergreifend
wirkt eine Madonna, die dem Berliner Mu-
seum angehört (Abb. 36); das Kind ist in ein
 
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