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die ja auch der dunkle Grund uuserer Ab-
bildung scharf hervortreten läßt. Vou
klassischer Einfachheit, wie an den edel-
sten Werken der Griechen, ist der Falten-
fluß der Gewänder, wunderbar durchge-
bildet sind die Körper, von höchster Feiu-
heit die Gesichter und die Hände, welche
zu jenen so unendlich fein passen und
untereinander so verschieden sind. Hin-
reißeud schöu ist der Gegensatz zwischen
der jugendlichen und der alteu Gestalt,
der Ausdruck der Demut, des uuend-
lichen Vertrauens, der beglückendeu festen
Zuversicht, die ihrer beider Seelen erfüllt
und in einem gemeinsamen heiligen Ge-
fühle zusammenschmelzen läßt. Kein an-
deres Werk als dieses, das man ob seiner
hohen Eigenschaften am liebsten dem Luca
zuschreiben möchte, hat den geistigen Jn-
halt jenes Ereignisses annähernd so ties
zu erfassen, so vollkommen zu schildern
vermocht.
Andrea della Robbia war fünf-
unddreißig Jahre jünger als sein Oheim
Luca. Zur Zeit, wo dieser sein Testa-
ment machte, war jener bereits als Künst-
ler anerkannt, hatte viele Aufträge und
genoß seines großen Lehrmeisters volles
Vertrauen. Sicher glaubte Luca erkannt
zu haben, daß der Neffe am besten im-
stande sein würde, in seinem Geiste weiter
zu arbeiten. Vielleicht hat er, erfreut
darüber, mit welcher Geschicklichkeit An-
drea sich seiner Art anzuschmiegen ver-
stand, dessen Begabung etwas überschätzt.
Denn nie ist Andrea zu so hoher Selb-
ständigkeit durchgedrungen, daß man seine
Kunst der Luca's gleich bewerten könnte.
Jn vielen Stücken, bei zahlreichen Ge-
legenheiten ist er dessen Nachahmer ge-
blieben, Werke wie Luca's Reliefs der
Auferstehung und der Himmelfahrt im
Florentiner Dome machen ihren starkeu
Einfluß in Andrea's Lebenswerk immer
wieder geltend. Aber zum Teil nur etwas
äußerlich. Denn Andrea's Geist erreichte
nicht den Tiefsinn Luca's. Es ist kein
Zufall, daß der Neffe zumeist daraus verzichtet hat,
Einzelfiguren von erhabener symbolischer Tiefe
zu schaffen, jenen nachfolgend von Luca's freien
Künsten oder Kardinaltugenden. Jhre hohe
Majestät, ihr glühendes inneres Seelenleben
waren nicht Andrea eigen. Es kam dazu, daß
der allmählich sich ändernde Zeitgeschmack an
der alten Einfachheit kein volles Genüge mehr
fand, daß man lieber ftatt der einzelnen Figuren
reiche Szenen sah, Abwechslung und Mannig-
faltigkeit suchte. Andrea kam dieser Neigung ent-
gegen, wohl verstanden selbständig schöpferisch,
nicht etwa als ein Diener der Menge. Jn reichen
Abb. 47 Andrea della Nobbia, Madonna. South Kensington-Museum, London
(Text S. 32)
Kompositionen schuf er bewegte Darstellungen,
benutzte von Ghiberti und dem Oheime Luca
gegebene Anregungen, um Reliefgemälde zu
schaffen, blieb sich aber doch dabei der Gesetze
der Plastik bewußt. Mit Ausnahmen, von denen
zu sprechen sein wird, war er in der Andeutung
der Hintergründe äußerst zurückhaltend, und übte
Sparsamkeit in der Anwendung anderer Farben
als Weiß und Blau. Auch Andrea's Reliefs
wirken immer noch in hohem Grade feierlich.
Technisch beschränkte er sich auf die Anfertigung
glasierter Tonwerke, wie der Oheim sie mit so
großem und gewinnbringendem Erfolge einge-
die ja auch der dunkle Grund uuserer Ab-
bildung scharf hervortreten läßt. Vou
klassischer Einfachheit, wie an den edel-
sten Werken der Griechen, ist der Falten-
fluß der Gewänder, wunderbar durchge-
bildet sind die Körper, von höchster Feiu-
heit die Gesichter und die Hände, welche
zu jenen so unendlich fein passen und
untereinander so verschieden sind. Hin-
reißeud schöu ist der Gegensatz zwischen
der jugendlichen und der alteu Gestalt,
der Ausdruck der Demut, des uuend-
lichen Vertrauens, der beglückendeu festen
Zuversicht, die ihrer beider Seelen erfüllt
und in einem gemeinsamen heiligen Ge-
fühle zusammenschmelzen läßt. Kein an-
deres Werk als dieses, das man ob seiner
hohen Eigenschaften am liebsten dem Luca
zuschreiben möchte, hat den geistigen Jn-
halt jenes Ereignisses annähernd so ties
zu erfassen, so vollkommen zu schildern
vermocht.
Andrea della Robbia war fünf-
unddreißig Jahre jünger als sein Oheim
Luca. Zur Zeit, wo dieser sein Testa-
ment machte, war jener bereits als Künst-
ler anerkannt, hatte viele Aufträge und
genoß seines großen Lehrmeisters volles
Vertrauen. Sicher glaubte Luca erkannt
zu haben, daß der Neffe am besten im-
stande sein würde, in seinem Geiste weiter
zu arbeiten. Vielleicht hat er, erfreut
darüber, mit welcher Geschicklichkeit An-
drea sich seiner Art anzuschmiegen ver-
stand, dessen Begabung etwas überschätzt.
Denn nie ist Andrea zu so hoher Selb-
ständigkeit durchgedrungen, daß man seine
Kunst der Luca's gleich bewerten könnte.
Jn vielen Stücken, bei zahlreichen Ge-
legenheiten ist er dessen Nachahmer ge-
blieben, Werke wie Luca's Reliefs der
Auferstehung und der Himmelfahrt im
Florentiner Dome machen ihren starkeu
Einfluß in Andrea's Lebenswerk immer
wieder geltend. Aber zum Teil nur etwas
äußerlich. Denn Andrea's Geist erreichte
nicht den Tiefsinn Luca's. Es ist kein
Zufall, daß der Neffe zumeist daraus verzichtet hat,
Einzelfiguren von erhabener symbolischer Tiefe
zu schaffen, jenen nachfolgend von Luca's freien
Künsten oder Kardinaltugenden. Jhre hohe
Majestät, ihr glühendes inneres Seelenleben
waren nicht Andrea eigen. Es kam dazu, daß
der allmählich sich ändernde Zeitgeschmack an
der alten Einfachheit kein volles Genüge mehr
fand, daß man lieber ftatt der einzelnen Figuren
reiche Szenen sah, Abwechslung und Mannig-
faltigkeit suchte. Andrea kam dieser Neigung ent-
gegen, wohl verstanden selbständig schöpferisch,
nicht etwa als ein Diener der Menge. Jn reichen
Abb. 47 Andrea della Nobbia, Madonna. South Kensington-Museum, London
(Text S. 32)
Kompositionen schuf er bewegte Darstellungen,
benutzte von Ghiberti und dem Oheime Luca
gegebene Anregungen, um Reliefgemälde zu
schaffen, blieb sich aber doch dabei der Gesetze
der Plastik bewußt. Mit Ausnahmen, von denen
zu sprechen sein wird, war er in der Andeutung
der Hintergründe äußerst zurückhaltend, und übte
Sparsamkeit in der Anwendung anderer Farben
als Weiß und Blau. Auch Andrea's Reliefs
wirken immer noch in hohem Grade feierlich.
Technisch beschränkte er sich auf die Anfertigung
glasierter Tonwerke, wie der Oheim sie mit so
großem und gewinnbringendem Erfolge einge-