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Die Kunst dem Volke <München> — 1913 (Nr. 13-16)

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Die Künstlerfamilie della Robbia
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https://doi.org/10.11588/diglit.21070#0081
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haben stets etwas Schlichtes, sind
auch dem einfachsten Gemüte ver-
ständlich, und darum sind gerade
diese seine Werke noch volkstüm-
licher geworden als diejenigen Lu-
ca's. Gleichzeitig liebte es Andrea,
seinen Madonnendarstellnngen fast
durchweg den Charakter von An-
dachtsbildern zu geben. Deshalb
schilderte er so gern dieheilige Jung-
srau, wie sie das Kind anbetet; er
entrückte die Madonna mit dem
Kinde dem irdischen Dasein. Jhre
Heimat ist der Himmcl, der mit leich-
tenWölkchen den Hintergrund bildet.

Engel, die Taube des Heiligen Gei-
stes, Gottvater erfreuen sich des An-
blickes Mariä, Heilige nahen sich,
um der Gottesmutter und ihrem
Kinde Verehrung darzubringen
(Abb. 48) wie aus einem jetzt in
BerlinbefindlichenherrlichenRelief,
welches ehemals der Kirche zu Var-
ramista gehört hat. Auch die Ma-
lerei Jtaliens hat es bekanntlich ge-
liebt, diethronende Madonna von
Heiligen umgeben zu schildern.

Man nennt eine derartige Darstel-
lung Sacra Conversazione, heiliges
Gespräch. Es istinteressantzusehen,
wie gegenüber der Erhabenheit die-
ses Gedankens Malerei und Plastik
ineinander übergehen. Denn ebenso
wie jene Gemälde einen relief-
artigen Charakter haben, so wirken
Reliefs, wie etwa jenes des An-
drea della Robbia zu Gradara oder
zu Camaldoli im Casentino (dem
oberen Teile des Arnotales), nach
Artvon Gemälden. (Abb.49.) Auch
die Szene der Verkündigung
rückt so in die Sphären des höhe-
ren Begriffes hinauf; die Erde ist nur mehr
ein schmaler Streifen, alles ist Himmcl, Vei-
heißung, Erfüllung und Seligkeit. Das schöne
Relief, welches wir hier betrachten (Abb. 50), ge-
hört zu jenem Schatze von Werken des Andrea
della Robbia, mit welchem er die Wallfahrtskirche
La Verna aus dem Berge Alverno in Toskana ge-
ziert hat; die Stätte ist hochberühmt, weil dort der-
einstderhl.FranziskusdieWundmaleempfing.Eine
köstliche Andrea'sche Verkündigung ziert auch den
Hof des mehrfach erwähnten Florentiner Findel-
hauses. Statt eines Blumen- und Fruchtkranzes
— denn dieses von Luca so schön entwickelte Mo-
tiv ließ sich auch Andrea nicht entgehen — sehen
wir dort einen Bogen von Engelköpfchen, deren
Wirkung freilich langc nicht so ruhig und deko-
rativ bedeutend ist.

Eine Reihe von Arbeiten Andrea's in der zu-
vor erwähuten La Verna-Kirche gehört zu jenen,
toorin der Meister seine und seiner Zeit Vorliebe

Abb 51 Andrea della Nobbia. Christus am Kreuze. Dom zu Arezzo (Text unten)

für bewegte Szenen beredt zum Ausdrucke ge-
bracht hat. Die Kreuziguug daselbst findet sich
reicher wiederholt und mit anderen Nebensiguren
im Dome zu Arezzo wieder (Abb. 51). Auch hier
ist die Erde nur eben angedeutet, der Himmel ist
allcs. Von ihm heben sich die Figuren der zwei
knienden Heiligen ab, von ihm der Kruzifixus,
in den Lüften und Wolken waltet Gott der Vater,
und Scharen von Engeln umschweben anbetend
des Erlösers Kreuz. Nicht minderer Figuren-
reichtum herrscht bei den mancherlei Himmelfahr-
ten Mariä, in der La Verna, in Fojano;
Andrea liebt es dabei zu schildern, wie die
Madonna dem zurückbleibenden ungläubigen
Thomas ihren Gürtel darreicht. Und welch seli-
ges Leben, welche jauchzende und dabei feierliche
Schönheit waltet in den Darstellungen der Krö-
nung Mariä! Eine der schönsten davon ist jene
in der Kircbe der Osservonza bei Siena (Abb. 52).
Welche holde Anmut, welche Reinheit der Linien,

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