Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst dem Volke <München> — 1913 (Nr. 13-16)

DOI Heft:
Die Künstlerfamilie della Robbia
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.21070#0088
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
40

Abb. 60 Giovanni della Robbia, Von den Reliefs dcs Ospedale dcl Ceppo, Pistoja: Beherbergung der Pilger (Text nnten)

lassen. — Aber man darf darüber nicht etwa dazu
tommen, Giovanni zu gering einzuschätzen; so
geschah es früher, wo man bei unsicheren Wer-
ken alles auf seine Rechnung setzte, was für die
sonstige Robbia-Kunst zu unbedeutend schien.
Sehr vieles, was er geschaffen, atmet doch
wirkliche Selbständigkeit und zeugt von hoher
künstlerischer Bedeutung. Als Beispiel sei eine
Madonna mit Heiligen aus dem Dome zu Arezzo
hierhergesetzt (Abb. 58). Da ist noch die volle
Reinheit des plastischen Stiles, wie Andrea ihn
hinterließ, und hohe Feierlichkeit der Wirkung.
Freilich müssen wir uns bei Giovanni darein fin-
den, daß er starke und vielfältige Farbengebung
bevorzugte. Manchmal hat er seine Figuren nicht
glasiert, sondern nur bemalt, aber stets schafft er
dabei Gebilde voll feiner Harmonie und durch-
drungen von echtem Leben. Darum wurde es
ihm auch so leicht, Reliefs zu entwerfen, die durch-
aus auf malerische Wirkungen berechnet waren.
So bei seinem Taufbecken in Cerreto Guidi mit
den Bildern aus der Geschichte Johannes des
Täufers; oder wenn er die Anbetung der Hirten
oder die der Könige (Abb. 59) darstellte. Jmmer-
hin halten auch diese Werke eine gewisse Feierlich-
keit fest, mag sich auch mancher stark naturali-
stische Zug hineinmischen, wie ein Fremdling, der
in diese Kunst nicht recht passen will. Jm gan-
zen hat Giovanni, wenn er sich auch mit allen nur
erdenklichen Gegenständen der kirchlichen Kunst be-
schäftigte und für alle Zwecke des kirchlichen künst-
lerischen Bedarfes zu sorgen verstand, und obgleich
er außer Reliefs auch Freifiguren von teilweise
oroßer Schönheit schuf, eigentlich neue Gedanken
doch nichthinzugebracht. Dagegen lieserte er Bedeu-
tendes und Neues, wo er die Möglichkeit hatte, die
Vorstellungskreise des täglichen Lebens wenig-
stens zu berühren. Solches geschah, als er den
Auftrag erhielt, das Hospital del Ceppo zu Pi-
stoja mit einem Friese zu schmücken, welcher die

sieben Werke der Barmherzigkeit darzustellen hatte.
Eine der Abteilungen („Durstige.tränken") ist nicht
von ihm. Die sechs andern hat er in kräftiger Art
durchgeführt, mit starkem Realismus der prächtig
aufgefaßten Figuren, von denen sehr viele Typen
des niederen Volkes sind. Gelegentlich streift die
Darstellung auch wieder das Gebiet des Religiösen.
So wird auf dem von uns abgebildeten Relief
(Abb. 60) die Beherbergung der Pilger durch die
an ihrem Vorbilde, dem hl. Jakobus d. A., voll-
zogene Fußwaschung versinnbildlicht. Ganz treff-
lich ist bei diesen Werken ihr Zweck als ver-
zierenves Element im Rahmen der Architektur
erreicht worden.

Giovanni hatte drei Söhne, und gewiß hatte
er gehofft, seine Kunst durch sie fortgepflanzt zu
sehen. Es sollte nicht sein. Alle drei zogen ins
Feld gegen den Connetable von Bourbon, und
keiner kam wieder heim. Zwei Jahre später,
1529, starb Giovanni selbst. Auch sein begabte-
ster Schüler Benedetto Buglione war ihm
schon seit 1521 durch den Tod entrissen.

So sank die Kunst der Robbia ins Grab.
Nicht weil sie kein anderer technisch hätte
nachahmen können, sondcrn weil sie im Laufe
eines Jahrhunderts alles geleistet, alles erschöpst
hatte, was sich mit ihren Mitteln aussprechen
ließ. Darum haben spätere Versuche, sie wieder-
zuerwecken, keinen Erfolg gehabt.

Dahin waren die Männer, die jene Kunst
beherrscht hatten, ein anderer war der Geist der
Zeit. SchonunterAndrealießsich's verspüren,daß
Auftraggeber, welche höchste Ansprüche stellten, die
Robbia-Kunst nicht mehr ausschließlich bevorzug-
ten. Hatte sie doch im Grunde nur auf dem Geist
und dem erhabenen, lauteren Können des Einen
geruht, der sie ersonnen, des für immer unerreich-
baren Luca della Robbia.

Jm Werke ieines Lebens ruhen wahrhafte
Ewigkeitswerte!

Die Abbildungen dieser Monographie sind nach Photographien von F. Bruckmann A.-G. hergestellt.
 
Annotationen