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Die Kunst dem Volke <München> — 1913 (Nr. 13-16)

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Die Altschwäbische Malerei
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Abb. 4 Lukas Moscr, Das Gastmahl des Simou (Text S. 6> Phot. Hösle

Tieseubrouu, Kirche

Einleitmig

eutsches Land und deut-
sches Volkstum, —
welch vielgestaltige,
reiche Welt! Hier die
prächtigen Rheinlande
voll Poesie und sonni-
gen Frohsinns, dort
der Bayer auf seiner
getreidestrotzenden
Scholle, der muntere,
bcwegliche Franke, der
swwerblütige Nieder-
sachse, Osierreichs
Sohn mit seinem wei-
chen, gemütvollen We-
sen. Alles Kinder der
Einen großen Mutter,
und doch so grundverschieden in ihrer Anlage und
jeder wie eine lebendige Verkörperung der Eigen-
art seiner Heimat.

Auch der Schwabe ist ein echtes Kind der schwä-
bischen Erde. Da prägt kein Meer, kein Hoch-
gebirg, keine unendliche Ebene der Landschaft den
Charakter des Heroischen, Großartigen auf. Kein
alles bcherrschender majestätisch einherwallender
Strom, kaum etwas von jenen ausfallenden Natur-
schönheiten, die der Fremde pflichtmäßig als
„Sehenswürdigkeiten" zu bestaunen hat. An land-
schaftlichen Sensationen erlebst dn wenig, fährst
du mit der Bahn etwa von Augsburg nach Ulm,
oder von da dem Algäu, dem Bodensee oder der
württembergischen Landeshauptstadt zu. Jn stiller,
lächelnder Anmut liegt das Ländchen hingebreitet:
Blumige Wiese und Ährenfeld, Tal und Höhen-
zug, Bach und Hain, nette Dörflein und schmucke

altertümliche Städtchen, — ihre Namen lauten
meist auf „. . . ingen" aus — nnd die charak-
teristischen satteltürmigen Kirchlein lugen aus
wohlgepflegtenObstwäldchen hervor. Wackerer,ehr-
licher Fleiß wirtschaftet da, nicht ein Geschlecht
dumpfer Fronknechte. Freilich auch nicht trut-
ziger Lebenskämpfer. Das Kraftvoll-derbe des
Bayern ist dem Schwaben nicht eigen, wie seine
Landschaft auf den Ton schlichter Anmut, so ist
sein Gemüt auf den des Weichen, Empfindsamen
gestimmt. Abhold dem Schroffen, Unausgegli-
chenen, leidenschaftlich Erregten fühlt er sich vom
Beschaulichen, Sinnigen, Lyrischen angesprochen.
Des Franken laute, mitteilsame Fröhlichkeit ist
seine Sache nicht, viel eyer ein gewisser spröder
Ernst. Der Schwabe ist ein Sinnierer und Eigen-
brödler, der sich gern in sich selbst zurückzieht und
da seine eigene Welt aufbaut, eine durchaus reli-
giöse, übrigens zurückhaltende, schwer lenkbare
Natur. Auf das Äußere legt er verhältnismäßig
weniger Gewicht, läßt sich viel mehr gehen, als der
gewandte Rheinländer, oder der elastische Franke,
und diese Eckigkeit der äußeren Form, das ost-
mals Ungeschickte des Sichgebens, hat denn auch
von allen deutschen Stämmen gerade den gut-
mütigen Schwaben am meisten zur Zielscheibe des
Spottes, hat „das Schwäblein" zum lustigen Hel-
den nnzähliger Schwänke und Spässe werden las-
sen, hat zu den bekannten Neckereien über „Schwa-
benalter", „Schlvabenstreiche" ja geradezu zu der
Redensart vom „dummen Schwaben" den Anlaß
gegeben. Man braucht den schwäbischen Stamm
hiegegen nicht in Schutz zu nehmen. Schwaben
hat zu den berühmten Namen auf allen Gebieten
sein redlich Teil gestellt, hat überhaupt an geistiger

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