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Die Kunst dem Volke <München> — 1913 (Nr. 13-16)

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Die Altschwäbische Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.21070#0095
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Abb. 1v

Barthol Zcitblom. Mariä Vcrkimdigimg (Tcrt S. 1v>
Stuttgart. Galcrie

Zartheit. Nirgeiids breite, kompakte Massen, selbst
die Tischfüße lösen sich in graziles Stabwerk auf
und besouders charakteristisch ist der Hiutergruud
mit dcm leichteu Gegitter der Laube uud dem

gleichmäßig zierlichen, wie iin
Winde lispelndeu Blätterwerk.

Die nächste uus erhalteue
Schöpfuug der schwäbischeu Male-
rei deutet schon nach Ulm hiu.
Weuigstens ist das Wurzacher
Altarwcrk vom Jahre 1437 bei
dem berühmteu Ulmer Meister
Haus Multscher iu Auftrag ge-
gebeu worden, die gemalten Flügel
freilich stammen nicht von Mult-
scher, *) soudern höchstwahrscheiu-
lich vou der Hand eines iu der
Bodeuseegegend oder im Algäu
selbst ansässigeu, dem Nameu uach
unbekanuteu Meisters. Eiu total
auderer Geist lebt darin, als iu
Mosers frauenhaft zierlichem Werk.
Dort beschräukt sich die Darstelluug
auf möglichst weuige fein zusam-
meugestimmte Figuren, hier eiu
überguellender, ungebändigter, die
gauze Fläche ausfüllender Gestal-
tenreichtum, die Sprache derb, zu-
mal iu den Passiousszeuen, so daß
mau sich etwas an das in deu
Schwaukbücheru bis zum Übermaß
behaudelte Kapitel vom „grobeu
Schwabeu" gemahnt sühlt. Aber
bei allem Maugel au eiuschmei-
cheluder Formeuschöuheit, welche
Urwüchsigkeit zeigt sich überall uud
welch tüchtiges Köunen! So in
der Aubetung der Köuige
(Abb. 5), wo aus deu prachtvoll
kuorrigen Charakterköpfeu eiue
Fülle frischeu, iudividuellen Lebeus
spricht und aus deu Figureu der
Köuige der uugeküustelte, kraftvolle
Ausdruck inbrünstiger Frömmig-
keit. Wuudervoll empfuudeu, vou
schlichter Hoheit uud leiserSchwer-
mut überhaucht ist die Gestalt
Marieus, uud der „Nährvater" ist
mit köstlicher Naivität geschildert,
wie er, das Muspföuuleiu in der
Hand, schüchteru auf deu Kuieeu
heraurutscht uud die hl. Mutter
heimlich mahnt, es sei jetzt Zeit,
dem Kiude seiu Essen zu gebeu.

*) Multschcr ist sicher ausschlieszlich
Bildhaucr gewesen. Kein ciuziges dcr
ihm zugeschriebenen Gemälde geht —
wedcr im Stimmungsgehalt noch im
Charakter dcr Formengebung — mit
Phot. Höslc seinen gesichcrten^ plastischcn Arbeitcn
zusammen. Die Überzeugung, daß cr
die Wurzacher Bildcr nicht gemalt hnbcn
knnn, drängtsich vor den dürftigcn Über-
resten der vier Jahre früher entstan-
denen „Kargnische" im Mmer Münster unwidcrstchlich
auf. Multscher war aus Reichenhofen bci Leutkirch gc-
bürtig, deshalb wahrscheinlich erhielt er den Auftrag
für Wurzach. Für die Gemälde hatte man wohl cincn
in der Gegend selbst ansässigen Meister zur Hand.
 
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