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Die Kunst dem Volke <München> — 1913 (Nr. 13-16)

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Die Altschwäbische Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.21070#0120
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32

fahlem Dämmer liegende Landschaft. Über dem
schrecklich ausgespannten Heilandsleib ruht die
innerliche Majestät stillen, überwindenden Lei-
dens. Johannes ist ganz gläubige, mitfühlende
Hingabe, Maria, vom Übermaß des Jammers
erschöpft, lüßt die zitternden Hände sinken und
starrt trostlos ins Leere, und Magdalena hat
sich am Fuß des Kreuzes niedergeworfen, um-
krampft ihn und preßt, ivie rasend vor Schmerz,
die Stirn an das bluttriefende Holz. Eine
sprühende Fülle tiefleidenschaftlicher Empfin-
dung und auch religiösen Gehaltes liegt in
diesem, in seiner Wucht an Grünewald fast
heranreichenden Werk, das Burgkmairs ge-
dankengewaltigste und beste Leistung darstellt.

Jn dem Gemalde von 1529 (Abb. 47) zieht
Burgkmair das Fazit seiner Kunst und seines
Lebens. Es stellt ihn selbst und seine Frau
dar. Das wilde Feuer der früheren Jahre
ist verglommen, auch die einstige jugendliche
Freude an Schmuck und farbiger Zier. Dafür
ist etwas ungemein Gediegenes und Vornehmes
in der unmittelbaren Natürlichkeit und Schlicht-
heit, womit die beiden alternden Leute gegeben
sind. Der einstige. flotte und feine Schilderer
der Augsburger üppigen, eleganten, schillern-
den Pracht und Schönheit ist ein ernster, welt-
müder, fast etwas grämlicher Mann geworden,
den Todesgedanken umschleichen, und der zu

Abb. ss

Phot. Höfle

H. Holbcin d. Ä., St. Nnna Selbdritt (Tcxt S. 24)
Augsburg, Galcrie

sind wie vom Sturmwind gebeugt, in jäher,
ekstatischer Erregung wirst der Apostel den
Kopf mit den leidenschaftlich gespannten
Zügen nach oben, von wo ihm Christus die
Apokalhpse enthüllt. Der Künstler, als echter
Sohn Augsburgs, der großen Handelsmetro-
pole, wo Südfrüchte aller Art auf den Markt
kommen, wohin durch die Handelsbeziehungen
der großen Firmen manch seltenes über-
seeisches Schaustück den Weg findet, kann sich
hier nicht genug tun in der Schilderung
exotischer Pflanzen- und Tierwelt, derart, daß
dieser Teil das Figürliche fast überwiegt.
Was sich nur immer zusammenhäufen läßt,
Muscheln, Käfer, Papageien und Palmen,
sonstige Tropengewächse, alles findet in die-
sem ausgeregten, unangenehm zwiespältigen
Kunstwerk seinen Platz.

Der sanguinisch-sensible, an Entwicklungs-
phasen ungemein reiche Künstler hat im fol-
genden Jahr den Sturm und Drang soweit
bemeistert, daß er in der Kreuzigung von
1519 (Abb. 45) ein abgeklärtes, in seiner Art
vollendetesWerk hervorbringt. Erschütternder,
fast grausamer Ernst ist die kraftvoll durch-
geführte Gesamtstimmung. Streifiges, düster-
gefärbtes, wildzerrissenes Gewölk. Gespen-
stisch flattert das Lendentuch hinaus, hartgrell
leuchten die Schneeberge herüber über die in

Abb. 40 Phot. Hösle

H. Holbein d. A., Das Fischwunder des hl. Ulrich (Text S. 24)
Augsburg, Galerie
 
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