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Die Kunst dem Volke <München> — 1913 (Nr. 13-16)

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Peter Paul Rubens
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https://doi.org/10.11588/diglit.21070#0144
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die sie ausübt, — daß bei aller massiven Erden-
schwere der Einzelgestaltung uns doch die himm-
lische Grundstimmung des Ganzen keinen Augen-
blick verborgen bleibt, daß bei aller starken Sinn-
sälligkeit in der Wiedergabe des Körperlichen doch
Herz und Gemüt des Beschauers mit Macht auf
das Übersinnliche hingelenkt werden.

Wie sehr es unserem Künstler darauf ankam,
in seinen Madonnenbildern die „Verehrung Ma-
riens" — so benannte Albrecht Dürer das letzte
Blatt seiner Holzschnittfolge des Marienlebens,
um an dem Geiste, aus dem heraus er die Serie
schuf, keinen Zweifel zu lassen — zu betonen,
beweisen uns besonders deutlich des Rubens
früheste Marienstücke im Museum zu Grenoble,
im Louvre zu Paris und in der Oratorianer-
kirche „S. Maria in Vallicella" (Llliiksa iruova)
zu Rom, wo die heilige Mutter mit dem gött-
lichen Kinde die den Beschauer mitreißende ver-
zückte Verehrung von Engeln oder Heiligen
genießt.

Jn anderer Richtung bewegen sich eine Anzahl
weiterer Madonnenbilder des Meisters. Aus
ihnen klingt das hohe Lied der Mutterliebe in
einer köstlichen Harmonie, wie solche nur der
Maler zusammenstimmen konnte, der selbst im
eigenen Heim, in der eigenen Familie Mutter-
liebe und Mutterglück in seligstem Mitempfinden
belanschte, und dem hohe Künstlerschaft die Gabe
verlieh, solches glückselige Empfinden gleichsam
spielend in seinen Pinsel zu leiten. üm so leichter
mußte ihm das gelingen, da doch für seine Ma-
donna sein Ehegespons sein Modell war und für
seinen Jesusknaben sein eigenes Kind. Vielleicht
das ergreifendste Stück solcher Art ist ein Bild
des Meisters in der Eremitage zu Sankt Peters-
burg (Abb. 15). Es kann
sich an Herzinnigkeit kühn
mit dem Besten vergleichen,
was Raffael Sanzio auf die-
sem Gebiet geleistet hat. Auf
dem linken Knie der Mutter
kniet das Jesulein, nur mit
einem kurzen Hemdchen be-
kleidet. Die Ärmchen um-
schlingen den Hals. Das
blonde Flachsköpschen lehnt
sich traulich an der Mutter
Wange, und die blauen Äug-
lein schauen so treu und
hingebend auf die Mutter.

Diese aber blickt demütig,
wie scheu zu Boden, so daß
man annehmen könnte, daß
eine Erinnerung an Raffaels
gleichartig aufgefaßte Ma-
donna del Granduca dem
Künstler hier den Pinsel ge-
führt hat. — Wenn gesagt
wurde, daß das Ergreifende
in denjenigen Marienbildern
des Meisters, welche die

Mutterliebe zu dem Jesuskinde betonen, darin
liegt, daß sie ganz ersichtlich einen Widerschein
des Familienglücks in des Künstlers eigenem
Leben darstellen, so gilt das insbesondere von
seinen Wiedergaben der heiligen Familie.
Die „Heilige Familie unter dem Apselbaum" im
Wiener Hofmuseum (Abb. 16) ist besonders
lebendig empfunden. Von dem Apfelbaume aus
ist zu einem anderen hin ein deckendes Tuch
gespannt; darunter hat die heilige Familie Platz
genommen; sie empfängt hier Besüch. Zacharias
und Elisabeth haben sich mit dem kleinen Jo-
hannes eingestellt. Die Freude der beiden Kin-
der über das Wiedersehen kommt herzig zum
Ausdruck. Jn den Zweigen des Apfelbaums
schaukeln sich Putten. — Das königliche Schloß
zu Windsor und das Metropolitanmuseum zu
Newyork besitzen die bis auf eine kleine Variante
in der Haltung des heiligen Joseph gleichartige
Darstellung der sogenannten „Heiligen Familie
mit dem heiligen Franziskus" (Abb. 17). Die
heilige Familie, der sich die Base Elisabeth mit
dem Johannesknäblein beigesellt hat, sitzt bezw.
steht vor ihrem Hause. Da stürmt eiligen Schritts
in vorgebeugter Haltung und mit gekreuzten
Armen der heilige Franziskus auf sie zu. Maria
blickt erstaunt, Joseph fast verdrießlich, als fürchte
er, angebettelt zu werden, Elisabeth freundlich,
als ahne sie die beabsichtigte Huldigung. Das
Jesukind kennt seinen opferfreudigen Verehrer,
lächelt ihm liebevoll zu und streckt ihm sein
rechtes Ärmchen entgegen. — Wie eine poesie-
volle kleine Erzählung genießt man endlich des
Meisters „Heilige Familie mit Heiligen" im
Pradomuseum zu Madrid, zirka 1638 gemalt
(Abb.18). Jn prächtigen Anlagen hat sich Maria

Abb. 22 Peter Paul Nubens, Flucht nach Ägypten Phot. Hansstacngl

Kgl. Gcmäldcgaleric zu Kassel (Tcxt S. 18)
 
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