Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst dem Volke <München> — 1913 (Nr. 13-16)

DOI Heft:
Peter Paul Rubens
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.21070#0158
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
30

einer der herrlichsten gotischen Kathedralen der
Welt an solchem hehren Platze besonders stim-
mungsvoll wirkt, darf neben den Passionsfolgen
Dürers als eine der überhaupt wirksamsten ger-
manischen künstlerischen Verewigungen des bit-
teren Leidens Jesu Christi angesprochen werden.
— Die etwas andersartige Behandlung des
gleichen Themas durch Rubens in der Eremitage
zu Sankt Petersburg erreicht trotz echter Künst-
lerschaft die hohe Qualität des Antwerpener
Stücks nicht völlig.

Man sollte meinen, daß die hauptsächlich ein
lyrisches Empfinden beanspruchenden Darstellun-
gen der „Beweinung Christi" unserm dramatisch
veranlagten Rubens ferner gelegen hätten. Aber
gerade dieses Thema behandelte er wiederholt,
so in zwei Darstellungen im Hofmuseum zu
Wien, in je einer im Kaiser-Friedrich-Museum
zu Berlin, im Pradomuseum zu Madrid, und
im Museum zu Antwerpen. Auf dem Halb-
figurenstück „Der tote Christus von Maria und
Johannes betrauert" im Hofmuseum zu Wien
(Abb. 29) halten Mutter und Lieblingsjünger
den teilweise in Linnen gehüllten Heiland. Dem
erstorbenen Antlitz Jesu kommt das lebensvolle
Mariens ganz nahe und bildet so zu diesem

Abb. 39 Peter Paul Rubens,

Bischos Malderus von Antwerpen
Kgl. Galerie zu Buckingham Palace (Text S. 34)

mit den Blicken sorgsam wägend,
ob die Abnahme so gut vonstatten
gehe. Unter dieser Leiter steht ein
Becken, worin die Dornenkrone be-
reits liegt; daran lehnt die Tafel
mit der Kreuzesinschrift, auf der noch
ein Stein liegt, damit der Wind
sie nicht fortweht. An der linken
Leiter haben sich drei heilige Frauen
gruppiert, um den heiligen Leich-
nam zu empfangen. Die matsr
cioloroZg. streckt wohl beide Arme
nach ihrem göttlichen Sohne aus,
aber in ihrem aufgeregten Zustand
ist sie nicht fähig, helfend anzupacken.
Die beiden anderen Frauen sind
niedergekniet, und Magdalena um-
faßt des Heilands linken Fuß. Eine
herrliche Harmonie, ein wunder-
voller Rhythmus klingt aus allen
diesen, zur Kreuzabnahme des ver-
blichenenErlösersnotwendigenStel-
lungen und Bewegungen der be-
teiligten Personen. Und wie über-
zeugend, wie natürlich kommt das
Tote, das Erstorbene bei der ver-
gänglichen Hülle des Heilands zum
Ausdruck. Man beachte nur das
wahrheitsgemäß einen Toten Mar-
kierende im lässigen Herabfallen der
Beine und desrechtenArms. Dieses
Bild, das als kostbarster Schmuck

Phot Hanfstaengl

Abb. 40 Petcr Paul Rubens, Franziskancr-Laienbruder Phot. Hansstaengl

Ercmitage zu Petcrsburg (Text S. 35)
 
Annotationen