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Die Kunst dem Volke <München> — 1913 (Nr. 13-16)

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Peter Paul Rubens
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https://doi.org/10.11588/diglit.21070#0162
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Genauigkeit sind ferner die
Gewandungen gemalt. Des
Rubens exakte Kostümmale-
rei, die uns die Trachten
seiner Zeit mit historischer
Treue wiedergibt, hat hohes
kulturgeschichtliches Jnteresse.
Das gilt auch von den An-
zügen seiner beiden Knaben
aus erster Ehe auf dem Ge-
mälde der Fürstlich Liechten-
steinschen Galerie zu Wien
(Abb. 38). Der Älteste er-
scheint wie seiner Mutter aus
dem Gesicht geschnitten, der
Jüngere gleicht dem Vater.
Während der Älteste ein Buch
trägt, ist dem Jüngeren ein
Spielzeug in die Hände ge-
geben; aber der hübsche Knabe
spielt nicht damit, sondern
blickt sehr traurig drein. Kein
Wunder! Das sorgende Mut-
terherz, an das er sich so gerne
schmiegte, hat kurz vor Ent-
stehung des Bildes zu schlagen
aufgehört. Ein gut Tcil
Gatten- und Vaterliebe hat
Rubens in dieses Gemälde
hineingelegt. Und wohl
manche Träne mischte sich in
die Farben. — Sehr viel
wurde der Künstler von den
Fürstlichk'eiten zum Porträ-
tieren herangezogen. Ohne
daß man dem realistischen
Pinsel des Rubens nachsagen
konnte, daß er „schmeichle",
wußte er doch sehr wohlWürde
zu verleihen, und dieser Um-
stand machte seine Bildnis-
kunst bei hohen und höchsten
Herrschaften recht beliebt.
Welche königliche Würde
strahlt doch aus dem Bildnis
der Tochter König Hein-
richslV., Elisabeth vonFrank-
reich (Abb. 43)! Man weiß
nicht, was man mehr bewun-
dern soll, die Herrlichkeit des

Peter Paul Nubcns, Ein Orientale Phot. Hanfstaengl

Kgl. Gemäldegalerie zu Kassel (Tert S. 36)

Das Bild des Bischofs Malderus von Ant-
werpen, in der Galerie zu Buckingham Palace,
von einigen dem van Dyck zugeschrieben, ist ein
Meisterstück solcher Art (Äbb. 39). Wie klug und
gewitzigt schauen die kleinen Augen, die in dem
ivulstigen Fleisch des Gesichtes wie vergraben
liegen! Die Falten aber, die um den Mund
herum tief einfallen, belehren uns, daß trotz der
vollen Fleischlichkeit des Kopfes nicht Weichheit,

köstlichen Kleides oder den Abb. 44
Adel der Gesichtsbildung, —
wie aus Marmor gemeißelt.

Freilich, eine kalte Schönheit; aber diese eisige
Kälte verleiht ein Unnahbares, erhöht die königliche
Würde. Und so konnte ein Rubens, nachdem
ein solches Bildnis seinen Ruf verbreitet hatte,
als Hofmaler einem Velazquez den Rang streitig
machen. — Uns aber ist Rubens als Bildnis-
maler dann noch lieber, wenn er frei von höfischen
Rücksichten seinem Wirklichkeitsdrang in der Por-
trätkunst unbehindert Ausdruck geben konnte.
 
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