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Die Kunst dem Volke <München> — 1913 (Nr. 13-16)

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Peter Paul Rubens
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38

Abb. 51 Peter Paul Rubcns, Amazoncuschlacht Phot. Hansstacngl

Alte Pinalothck zu München sText S. 1ü>

beherrschte: das historische. Hier hätten wir zu-
nächst wieder das religionsgeschichtliche Feld zu be-
rühren, indem neben den bereits besprochenen Dcir-
stellungen aus dem Neucn Testamente und der
Heiligenlegende auf die meist hoch dramatisch vor-
getragenen des alten Testamentes hinzuweisen
wäre. Adam und Eva, Abraham, Melchisedek
(Abb. 45),Loth,Hagar, Esau und Jakob, die eherne
Schlange, Simson, König David, Bathseba, Sa-
lomo, Sancherib, Elias, Judith, Esther, Susanue,
Jona.s, Judas Makkabäus, und was die Heilige
Schrift von diesen erzählt, erfuhren in Gemälden
von Rubens Hand künstlerische Verewigung. Nur
der von Gott entflammte greise König David, der,
im Städelschen Jnstitut zu Frankfurt am Main,
zum Preise desAllerhöchsten begeistert in die Harfe
greift,seiausderFüllenochhervorgehoben(Abb.46).
Von seinen Lippen scheint es zu singen: „Die
Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes, und
das Firmament verkündet die Werke seiner Hände"
(Psalm Davids, 18, 2). Was wir gelegentlich
der Porträtdarstellungen des Künstlers von dessen
hoher Charakterisierungsgabe sagten, wird durch
diesenKönig David auf das vortrcfflichste bestätigt.

Mythologie, historische Allegorie, Heldensage,
alte und neue Weltgeschichte lieferten unserem
Maler den Stoff für viele Hunderte von Bildern,
die seinem Atelier entwuchsen. Überslüssig er-
scheint es fast, jetzt noch eigens zu betonen, daß,
wenn Rubens die alten Götter und Göttinnen
und andere Fabelwesen auf die Leinwand bannt,
wenn Jupiter, Apollo, Bacchus, Merkur, Amor,
Perseus, Andromeda, Diana, Venus, die Grazien,
die Töchter des Leukippos, Zentauren, Satyrn,
Nymphen, große und kleine Genien sich auf der-

selben trollen und ihre
GIiederrecken,desMei-
sters blühender Far-
bensinn, seine über-
sprudelnde Lust an der
Schönheit des mensch-
lichen Körpers und
an dem schimmernden
Glanz der Hautfläche
wahreTriumpheseiert.
Und welche Fülle der
Gesichtspunkte, Wel-
ches reiche welt- und
kulturgeschichtliche
Wissen beweist die
Universalitüt des be-
herrschten Stoffge-
biets. Exemplifizieren
wir nur an zwei Bei-
spielen, an einem aus
der alten und einem
aus der neueren Ge-
schichte.

Welcher Hymnus
auf Mut und Treue
tönt gleichsam aus der
Tafel des Museums
der schöneu Künste zu Budapest, ivo Mucius Scä-
vola lieber den Arm über dem Feuer verkohlen läßt,
als daß er die Namen seiner Mitverschworenen
preisgäbe (Abb. 48). Die mutige Entschlossenheit
des opferfähigen Helden ist nicht weniger trefflich
gekennzeichnet als das verwirrte Benehmen des
Richters, das zwischen Nngstlichkeit und Rührung
über solche Standhaftigkeit geteilt ist. Die Durch-
führung des reich verzierten antiken Gestells, auf
dessen Platte das Feuer lodert, ist ein Meister-
stück für sich. — Halten wir neben dieses Bild
aus der alten römischen Geschichte ein solches aus
der neueren französischen: „Die Krönung der
Maria von Medici", ein Stück der Serie von
monumentalen Bildern aus dem Leben dieser
Königin von Frankreich im Louvre zu Paris
(Abb. 47). An Stelle von höchster Kühnheit und
seltener Standhaftigkeit, welche große Eigenschaf-
ten in dem Geschichtsbilde aus der antiken Zeit
aufleuchteten, sind hier glänzende Repräsentation,
Weichlichkeit, üppiger Luxus getreten. Wir haben
ein prachtvolles Zeremonienbild vor uns. Die
Krönungsfeierlichkeiten gehen in der Kathedrale
in Anwesenheit höchster kirchlicher und weltlicher
Würdenträger und von Hofdamen in kostbarsten
Toiletten vor sich. Jn den Lüften schwirren Ge-
nien des Glücks, die ihre Füllhörner öffnen, um
deren Jnhalt über die Königin auszuschütten.

Den „Schiffbruch des Aeneas" im Kaiser-
Friedrich-Museum zu Berlin (Abb. 49) können
wir kaum noch zur Historienmalerei rechnen. Erst
nach mühsamem Suchen finden wir, in kleinstem
Maßstabe gegeben, links im Vordergrunde das
gescheiterte Schiff, ganz rechts eine Gruppe von
Schiffbrüchigen um ein Feuer versammelt. Jn
 
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