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Abb. 53 Petcr Paul Rubens, Wildschweinhctze Phot. Bruckmann
Alte Pinalothck zu Müuchen sTert S. 4l>s
Wirklichkeit haben wir eine heroische Landschaft
aus der Gegend bei Porto Venere in der Nähe
von Spezia vor uns. Das Wüten des Orkans
ist rnit echt Rubensscher Kraft gemalt. Und
schaurig flammt in dem Dunkel der Sturmes-
nacht das Licht des Leuchtturms auf der Felsen-
spitze. Das Bild ist in seiner gewaltigen, schweren
trüben Stimmung dem Besten vergleichbar, was
dem berühmten holländischen Maler Jakob van
Ruysdael an ähnlich aufgefaßter gemalter Natur
gelang. — Friedliche Naturstimmungen Hielt des
Rubens Pinsel ebenfalls mit vielem Glück fest.
Sehr liebte der Meister, den malerischen Reizen
eines Regenbogens und der dunstzerteilenden, auf-
klärenden Atmosphäre, die ein solcher bedingt,
malerisch nachzugehen. Bilder im Louvre zu Paris,
in der Eremitage zu Petersburg und, besonders
prächtig, in der Alten Pinakothek zu München
(Abb. 50) sind herrliche Muster hiervon. Wunder-
voll schwingen sich die gigantischen farbigen Bogen
durch die dunstigen, wandernden Wolken. Und
das landwirtschaftliche Getriebe in der weiten
Ebene, Mensch und Tier, Baum und Strauch, spie-
geln sich mit wonniger Klarheit in Farbe und Licht.
Wenn dem vielseitigen Rubens auch friedliche,
lyrische Stimmungen nicht fremd waren und, so oft
er sich daran wagte, gut gelangen, so war und
bliebdochdasHochdramatische, Krastvolle,Feuerige
sein eigentliches Element. Und so könnte man
einen Rubens wohl mit Recht den Shakespeare
der Malerei nennen. Kein Wunder, daß seiner
dramatischen Art Kampfszenen besonders nahe
lagen, seien es solche
unter Menschen, zwi-
schen diesen und my-
thischen Wesen, unter
diesen,oder auchsolche,
die sich zwischenMensch
und Tier abspielen.
Als ein solches cha-
rakteristisches, lebens-
volles Kampfstück er-
wähnen wir hier nur
seine „Amazonen-
schlacht" der Münche-
ner Alten Pinakothek
(Abb.51). Einewilde
Reiterschlacht spielt
sich in aufregendem
Durcheinander ab.
„Da werden Weiber
zu Hhänen." Dadurch,
daß der Kampf haupt-
sächlich auf einer
schmalen Brücke, die
über einen tiefen Fluß
führt, tobt, steigert
sich das Ängstliche, das Gefahrvolle der Situa-
tionen, und wir erleben kraftvollst gezeichnete
Momente von Heldenmut und Todesverachtung.
Ähnliche elementare Wucht, Kampfesfreude und
überlchäumende Kraftäußerungen sprudeln aus
vielen Ja g dstücken des Meisters hervor. Wilde
Tiere, Löwen, Eber sind daher mit Vorliebe als
Jagdbeute gewählt und wiederum gefahrvollste
Situationen, Augenblicke tödlicher Spannung
vorzugsweise festgehalten. Die nächste Sekunde
bringt diesem oder jenem — sei es Mensch oder
Tier — den Tod. Und unsere Aufregung beim
Betrachten eines solchen RubensschenJagdkampfes
kommt etwa jener gleich, welche wir wohl beim
Zuschauen spanischer Stiergefechte in Momenten
höchster Gefährdung erlebten. Zwei Bilder der
Münchener Alten Pinakothek, eine Löwenjagd
(Abb. 52) und eine Wildschweinhetze (Abb. 53)
gehören zu den charakteristischsten, treffendsten
und packendsten dieser Art.
Welcher Überschuß an dramatischer Kraft!
Andere berühmteste Maler mögen einen Rubens
in dieser oder jeder Beziehung wohl erreicht oder,
vereinzelte, selbst überboten haben, in seiner
Vie lseiti gkeit und in seiner kraftvollen
Dramatik ist er sicherlich unüb ertro ffen.
Und da wir vorhin schon Rubens einem Shake-
speare verglichen, so möge unsere Charakteristik
des genialen Malers mit einem auf ihn gut
passenden Ausruf dieses Dichters schließen:
„Er war ein Mann! Nehmt alles nur in allem!
„Wir werden seinesgleichen nicht mehr sehen!"
Abb. 53 Petcr Paul Rubens, Wildschweinhctze Phot. Bruckmann
Alte Pinalothck zu Müuchen sTert S. 4l>s
Wirklichkeit haben wir eine heroische Landschaft
aus der Gegend bei Porto Venere in der Nähe
von Spezia vor uns. Das Wüten des Orkans
ist rnit echt Rubensscher Kraft gemalt. Und
schaurig flammt in dem Dunkel der Sturmes-
nacht das Licht des Leuchtturms auf der Felsen-
spitze. Das Bild ist in seiner gewaltigen, schweren
trüben Stimmung dem Besten vergleichbar, was
dem berühmten holländischen Maler Jakob van
Ruysdael an ähnlich aufgefaßter gemalter Natur
gelang. — Friedliche Naturstimmungen Hielt des
Rubens Pinsel ebenfalls mit vielem Glück fest.
Sehr liebte der Meister, den malerischen Reizen
eines Regenbogens und der dunstzerteilenden, auf-
klärenden Atmosphäre, die ein solcher bedingt,
malerisch nachzugehen. Bilder im Louvre zu Paris,
in der Eremitage zu Petersburg und, besonders
prächtig, in der Alten Pinakothek zu München
(Abb. 50) sind herrliche Muster hiervon. Wunder-
voll schwingen sich die gigantischen farbigen Bogen
durch die dunstigen, wandernden Wolken. Und
das landwirtschaftliche Getriebe in der weiten
Ebene, Mensch und Tier, Baum und Strauch, spie-
geln sich mit wonniger Klarheit in Farbe und Licht.
Wenn dem vielseitigen Rubens auch friedliche,
lyrische Stimmungen nicht fremd waren und, so oft
er sich daran wagte, gut gelangen, so war und
bliebdochdasHochdramatische, Krastvolle,Feuerige
sein eigentliches Element. Und so könnte man
einen Rubens wohl mit Recht den Shakespeare
der Malerei nennen. Kein Wunder, daß seiner
dramatischen Art Kampfszenen besonders nahe
lagen, seien es solche
unter Menschen, zwi-
schen diesen und my-
thischen Wesen, unter
diesen,oder auchsolche,
die sich zwischenMensch
und Tier abspielen.
Als ein solches cha-
rakteristisches, lebens-
volles Kampfstück er-
wähnen wir hier nur
seine „Amazonen-
schlacht" der Münche-
ner Alten Pinakothek
(Abb.51). Einewilde
Reiterschlacht spielt
sich in aufregendem
Durcheinander ab.
„Da werden Weiber
zu Hhänen." Dadurch,
daß der Kampf haupt-
sächlich auf einer
schmalen Brücke, die
über einen tiefen Fluß
führt, tobt, steigert
sich das Ängstliche, das Gefahrvolle der Situa-
tionen, und wir erleben kraftvollst gezeichnete
Momente von Heldenmut und Todesverachtung.
Ähnliche elementare Wucht, Kampfesfreude und
überlchäumende Kraftäußerungen sprudeln aus
vielen Ja g dstücken des Meisters hervor. Wilde
Tiere, Löwen, Eber sind daher mit Vorliebe als
Jagdbeute gewählt und wiederum gefahrvollste
Situationen, Augenblicke tödlicher Spannung
vorzugsweise festgehalten. Die nächste Sekunde
bringt diesem oder jenem — sei es Mensch oder
Tier — den Tod. Und unsere Aufregung beim
Betrachten eines solchen RubensschenJagdkampfes
kommt etwa jener gleich, welche wir wohl beim
Zuschauen spanischer Stiergefechte in Momenten
höchster Gefährdung erlebten. Zwei Bilder der
Münchener Alten Pinakothek, eine Löwenjagd
(Abb. 52) und eine Wildschweinhetze (Abb. 53)
gehören zu den charakteristischsten, treffendsten
und packendsten dieser Art.
Welcher Überschuß an dramatischer Kraft!
Andere berühmteste Maler mögen einen Rubens
in dieser oder jeder Beziehung wohl erreicht oder,
vereinzelte, selbst überboten haben, in seiner
Vie lseiti gkeit und in seiner kraftvollen
Dramatik ist er sicherlich unüb ertro ffen.
Und da wir vorhin schon Rubens einem Shake-
speare verglichen, so möge unsere Charakteristik
des genialen Malers mit einem auf ihn gut
passenden Ausruf dieses Dichters schließen:
„Er war ein Mann! Nehmt alles nur in allem!
„Wir werden seinesgleichen nicht mehr sehen!"