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Die Kunst dem Volke <München> — 1914 (Nr. 17-20)

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Die Altkölnische Malerschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.21071#0045
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39

Abb. 54 (Text S. 37)

Unbekannter Mcister, Gcheimc Offenbarnng, Kap. 5
Wallras-Richartz-Museum, Köln

Phot. Krcyenlamp

besucht und mit himmüschem Troste gestärkt. Der
nächste Versuch, ihn zu töten, mißlingt, da der
von ihm mit dem Kreuze bezeichnete Giftbecher
die beabsichtigte Wirkung verfehlt. Das Rad,
auf welches er gebunden werden soll, wird durch
Feuer vom Himmel zerskört, die Henker werden
vom Flammenregen getötet. Auch das siedende
Ol verläßt er wohlbehalten. Dann wird er
auf dem Gesichte liegend von drei Pferden zur
Stadt hiuaus geschleift uud eudlich durch das
Schwert hingerichtet; auf den heimreitenden
König aber fällt wieder Feuer vom Himmel. Auf
ber letzten Darstellung wird der kopflose Leich-
nam iu einem Sarkophage beigesetzt. Die Bil-
bsr zeigen Kleidungsstücke, die um die Zeit von
1450—1460 Mode waren; das Werk muß also
um^diese Zeit entstanden sein. —

Fmmer größer wird der Einfluß von den Nie-
verlandeu her, so groß, daß auch das Hauptwerk
der Kölner Schule nach Lochners Tode, obschon
uicht viel später entstanden, ohne jene starke Ein-
Unrkung gar nicht denkbar ist. Es ist ein Zhklus
bon acht Bildern aus dem Leben Mariens, die
einst zu einem Altare in St. Ursula in Köln ge-

hörten, jetzt aber von einander getrennt sind; fie-
ben Tafeln befinden sich in München, eine in
London. Außer der realistischen Wiedergabe der
Personen und der Landschaft bemerken wir eine
weitere Neuerung beim sogenannten Mei fter
des Marienlebens; die Gestalten ftehen
nicht mehr eingezwängt oder zusammengedrängt,
wie noch auf Lochners Bildern, sondern habeu
Raum, sich frei und natürlich zu bewegen, und in
der Darstellung von Haltung, Gang und Gebär-
den ist unser Künstler ganz besonders Meister, da-
mit schaltet er in der ausgiebigsten Weise und
mit sichtlicher Freude. Betrachten wir darauf-
hin die köstliche Darstellung der W o ch e n st u b e
aus dem Marienleben (Abb. 61). Alles trägt
hier vornehm-bürgerlichen Charakter, von religiö-
sem Jdealismus srüherer Zeit kaum eiue Spur,
und dennoch kann man nicht von einer verletzen-
den Profanisierung sprechen, zumal ivenn man
sich in das Empfinden der Entstehungszeit hinein-
denkt. Zu ungefähr der gleichen Zeit malte der
Jtaliener Ghirlandajo den gleichen Gegenstand
in ganz derselben Auffassung in die Kirche Santa
Maria Novella zu Florenz (vgl. Heft 12, Die Ma-
 
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