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Die Kunst dem Volke <München> — 1914 (Nr. 17-20)

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Domenico Ghirlandajo
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https://doi.org/10.11588/diglit.21071#0093
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Sehr viel breiter erscheint des
Meisters Stil und sehr viel mäch-
tiger seine Formensprache in dem
wenig später vollendeten Abend-
mahl im Kloster der Franziskaner
in Ognissanti (Abb. 10). Die
schwierige Aufgabe, dreizehn Per-
sonen an einem langen Tisch leben-
dig zu gruppieren, ist hier so glän-
zend gelöft worden, wie von keinem
anderen Florentiner Künstler vor
Leonardo. Der alten Tradition
entsprechend setzt Ghirlandajo den
Judas isoliert an die Vorderseite
des Tisches; aber neu ist der Ge-
danke eines Wortwechsels zwischen
Judas und Petrus. Leider ist der
Kopf Christi von einem Nestaura-
tor des 17. Jahrhunderts ini Stile
Carlo Dolcis übermalt worden.

Jm nächsten Jahre, 1481, fin-
den wir Domenico zum zweiten
Male in Rom, wo er zugleich mit
Sandro Botticelli, Cosimo Rosselli
und Pietro Perugino die Ausma-
lung der Wände der Sixtinischeu
Kapelle übernimmt. Zwei Fresken
hat er hier gemalt, die Berusung
der ersten Jünger und die Aufer-
ftehung Christi. Durch Einsturz
des Architravs wurde dieses letzte
Fresko um die Mitte des 16. Jahr-
hunderts zerstört, und 1580 malte
ein vlämischer Meister, Hendrick van den Broeck
aus Mecheln, es völlig neu. So können wir
den durch römische Anregungen bedingten Fort-
schritt in Ghirlandajos Kunst, abgesehen von
einigen Papstbildnissen, nur an dcr Berufung

Abb. 1ü (Tcxt S. 13)

Dom. Ghirlandajo, Bildnissc dcr Kindcr Lorcnzos dcs Prächligcn
Aus cincm Frcsko in der Sassclli-Kapcllc in S. Trinila zu Florcnz

Abb. 17 (Tcxt S. 13) Phot. Alinari

Doin. Ghirlandajo, Bildnis dcs Franccsco Sassclti und Lorenzos dcs Prächtigcn
Aus eincni Frcsko in dcr Sassetli-Kapclle in S. Trinita zu Florcnz

der ersteu Jünger nachweisen (Abb. 2). An
Begabung, übersichtlich zu komponieren und Men-
schen, Bauten und Landschaften in Harmonien
aufzulösen, übertrifft er hier alle seine Zeitge-
nossen mit alleiniger Ausnahme vielleicht des
Perugino. Das Kompositions-
schema, das er zum ersten Male
iu Sau Gimignano bei der Dar-
stellung der Leichenfeier der heiligen
Fina gegeben hatte, behielt er bei.
Christus und die beiden Apostel
Petrus und Andreas uehmen als
Träger der Handlung die Mitte
ein. Links und rechts gruppieren fich
die Vertreter der Florentiner Ko-
lonie in Rom. Der hinter dem Kua-
ben stehende bartlose ältere Mann
mit dem willensstarken Gesichtsaus-
druck ist niemand anders als Gio-
vanni Tornabuoni, der als Schatz-
meister Sixtus' IV. einen großen
Teil dcs Jahres in Rom verlebte,
derselbe Mann, in dessen Auftrag
Ghirlandajo später die Chorkapelle
von S. Maria Novella ausgemalt
hat. Der vor ihm stehende Knabe
Pbot. Alinari iu der knappen Florentiner Tracht
ist ohne Zweifel Giovannis ältester
Sohn Lorenzo, dessen Bildnis uns

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