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Die Kunst dem Volke <München> — 1914 (Nr. 17-20)

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Domenico Ghirlandajo
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https://doi.org/10.11588/diglit.21071#0096
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findet und an Ort und Stelle
durch eine Kopie ersetzt wor-
den ist (Abb. 21). DieGemah-
lin des Francesco Sassetti,

Madonna Nera „die süßesie
Gattin", mit der er, wie die
Grabschrift besagt, in glück-
lichster Ehe gelebt hat, ist eine
würdige Matrone, und ihr Ge-
mahl fesselt uns nur darum
mehr, weil sein charaktervolles
und energisches Gesicht zu
Ghirlandajos besten Leistun-
gen auf dem Gebiete des
Porträtsaches gehört (Abb. 18
u. 19).

DieAltartafelmit derAn-
betung der Hirten ist, was die
Technik und die Komposition
betrifft, von einem Bilde glei-
chen Jnhalts abhängig, das
Hugo van der Goes, der große
vlämische Meister, etwa zehn
Jahre früher im Auftrage der
Florentiner Familie Porti-
nari gemalt hat.

Auch Ghirlandajo hat,
wie so viele andere italienische
Maler seiner Zeit, den Ein-
fluß jener herben und starken
nordischen Kunst erfahren.

Neben der Technik war es
die delikate Vollendung, die
er an dem großen Altarwerke
des Hugo van der Goes vor
allem bewunderte. Der hohe
Ernst und die naturalistische
Auffassung namentlich in der
Charakteristik der Figuren
schlichter Menschen aus dem
Volke sind Eigenschasten des
vlämischen Meisters, denen
wir bei Ghirlandajos Anbe-
tung der Hirten aus der
Sassetti-Kapelle, jetzt in der
Akademie zu Florenz, wieder
begegnen. Die Sprache der Gesichter und der Hände
zeigt die ganze ergreifendeCharakterschilderung des
Niederländers, und auch die emailartige Farben-
pracht und die minutiöse Durchführung aller
Details ist hier durchaus niederländisch, während
die Plastik des Gewandstils und der Zeichnung
deutlich auf den Einfiuß Verrocchios hinweisen
und die große Leuchtkraft der Farbe ganz ein
Verdienst Meister Domenicos selbst ist. Über die
Entstehungszeit des Bildes gibt das Datum
NOOOOÜ-XXXV auf dem Kämpfer des einen
korinthischen Pfeilers Aufschluß, und das Wappen
der Sassetti auf den Pilastern des Rahmen-
werkes zeigt uns die Herkunft des Gemäldes an.

Bemerkenswert ist der Umstand, daß wir
erst aus den reifen Mannesjahren Ghirlandajos

Abb. 2Ü (Tcrt S. 16)
Dom. Ghirlandajo,

Phot. Hansstaengl

Judith und ihre Magd mit dem Haupte des Holofernes, Taselbild im
Kaiser-Friedrich-Museum zu Berlin

Altartafeln und profane Bilder kleineren Um-
fanges nachweisen können. Ghirlandajo war
eben in erster Linie Freskenmaler, und seine
Tafelbilder, die nicht sehr groß an Zahl sind,
beweisen trotz einiger rühmlicher Ausnahmen,
daß er eigentlich nur in umfangreichen Wandbil-
dern seine große Schilderungsgabe ganz fessellos
zu entfalten vermocht hat.

Der Entstehungszeit nach das früheste der auf
uns gekommenen Tafelbilder Ghirlandajos dürfte
das jetzt in den Uffizien bewahrte Altarbild der
thronenden Madonna mit Heiligen und Engeln
(Abb. 22) sein. Zwei Marmorstufen, über die
ein kostbarer orientalischer Teppich gebreitet ist,
führen empor zu dem Hochsitze der Madonna, und
eine reichgeschmückte Marmorbrüstung, hinter der
 
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