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Abb. 26 <Tcxt S. 1S> Phot. Alinari
Dom. Ghirlandajo. Thronende Madonna mit Heiligcn im Dom zn Lucca
knienden und stehenden Franzis-
kanerheiligen, die dieses Gemälde
zu einem wirklichen Andachlsbilde
machen.
Als ein Meister der Bildnis-
kunst tritt uns Ghirlandajo ent-
gegen in dem realistisch aufge-
faßten Porträt eines alten Mannes
im Louvre (Abb. 31), dessen ab-
schreckende Häßlichkeit aufgewogen
wird durch die zärtliche Liebe, mit
der er das scheu zu ihm empor-
blickende Enkelkind betrachtet. Ein
nicht minder bedeutendes Erzeugnis
seiner Porträtkunst ist das liebens-
würdige Bildnis einer jungen Flo-
rentinerin in der National Gallery
zu London (Abb. 30).
Die Sassettikapelle war noch
nicht vollendet, als ein anderer
Florentiner Patrizier, Giovanni
Tornabuoni, unserem Meister und
seinem Bruder David den größten
Freskenauftrag erteilte, den Flo-
renz im Quattrocento (15. Jahr-
hundert) aufzuweisen hat, die Aus-
malung der schon erwähnten Chor-
kapelle von Santa Maria Novella.
Ursprünglich hatten die Ricci
das Patronat über diese Kapelle
hinter dem Hochaltar inne, und Mitglieder ihrer
Familie hatten sie um die Mitte des 14. Jahr-
hunderts durch AndreaOrcagna mit einem Bilder-
zhklus aus dem Leben der Madonna schmücken
lassen. Jm Laufe der Zeit aber wurde das Dach
schadhaft und Regengüsse beschädigten die Fres-
ken des Orcagna. Vergeblich erboten sich andere
Florentiner Familien, den Ricci, die inzwischen
verarmt waren, die Mittel zu leihen, um die
Schäden ausbessern zu lassen; doch diese lehnten
das Anerbieten ab, wohl aus Furcht, das Pa-
tronatsrecht über die Kapelle zu verlieren. End-
lich gelang es dem geschäftskundigen Giovanni
Tornabuoni, sie zu überreden. Er versprach den
Ricci, alle Kosten zu tragen und ihr Wappen
an dem ehrenvollsten Platze in der Kapelle an-
zubringen, womit diese natürlich einverstanden
waren. Aber als die Kapelle eröffnet wurde,
erblickte man überall die Schilde mit dem stei-
genden Löwen der Tornabuoni und nirgends das
Wappen der Nicci. Giovanni Tornabuoni hatte
es, kaum drei Viertel Ellen groß, aber an ehren-
vollster Stelle, über dem Sakramentsschrein, an-
bringen lassen. Vasari, dem wir die Verant-
wortung für die Wahrheit dieser Geschichte über-
lassen, erzählt noch, daß die so schmählich ge-
täuschten Ricci einen Prozeß anstrengten und
verloren. „Dies aber", so schließt Vasari seinen
Bericht, „diene, wenn zu nichts anderem, um zu
beweisen, wie sehr die Armut des Reichtums
Beute ist, und wie Reichtum, gepaart mit Klug-
heit, ohne Makel zum gewünschten Ziele gelangt."
Giovanni Tornabuoni hatte als Teilhaber
des Bankhauses Medici ein großes Vermögen
erworben und war Schatzmeister des Papstes
Sixtus IV. Nach der Verschwörung der Pazzi,
der Giuliano dei Medici, Lorenzos des Prächtigen
Bruder, zum Opfer fiel, war er es, der seine
guten Beziehungen zur Kurie dazu benutzte, den
Frieden zwischen dem Papst und den Medici
wieder herzustellen. Seine Schwester Lucrezia
hatte den Sohn Cosimos des Alten, Piero dei
Medici, geheiratet und wurde die Mutter Lo-
renzos des Prächtigen. Durch diese Verwandt-
schaft und durch kluge Spekulationen hatte sich
die Familie Tornabuoni zu einem der ange-
sehensten und reichsten Geschlechter in Florenz
emporgeschwungen.
Von der Freiheit künstlerischen Schaffens,
wie sie ein moderner Maler genießt, muß Gio-
vanni Tornabuoni eine seltsame Porstellung ge-
habt haben.
Mit größter Genauigkeit bestimmt er in dem
uns noch erhaltenen Kontrakt die einzelnen Szenen
aus dem Leben der heiligen Jungfrau und Jo-
hannes des Täufers, welche die Wände schmücken
sollten. Außerdem bedang er sich das Recht aus,
auf allen Gemälden nach eigenen Vorschriften
Häuser, Tiere, Bäume, Berge und Täler an-
bringen zu lassen. Über die anzubringenden
Abb. 26 <Tcxt S. 1S> Phot. Alinari
Dom. Ghirlandajo. Thronende Madonna mit Heiligcn im Dom zn Lucca
knienden und stehenden Franzis-
kanerheiligen, die dieses Gemälde
zu einem wirklichen Andachlsbilde
machen.
Als ein Meister der Bildnis-
kunst tritt uns Ghirlandajo ent-
gegen in dem realistisch aufge-
faßten Porträt eines alten Mannes
im Louvre (Abb. 31), dessen ab-
schreckende Häßlichkeit aufgewogen
wird durch die zärtliche Liebe, mit
der er das scheu zu ihm empor-
blickende Enkelkind betrachtet. Ein
nicht minder bedeutendes Erzeugnis
seiner Porträtkunst ist das liebens-
würdige Bildnis einer jungen Flo-
rentinerin in der National Gallery
zu London (Abb. 30).
Die Sassettikapelle war noch
nicht vollendet, als ein anderer
Florentiner Patrizier, Giovanni
Tornabuoni, unserem Meister und
seinem Bruder David den größten
Freskenauftrag erteilte, den Flo-
renz im Quattrocento (15. Jahr-
hundert) aufzuweisen hat, die Aus-
malung der schon erwähnten Chor-
kapelle von Santa Maria Novella.
Ursprünglich hatten die Ricci
das Patronat über diese Kapelle
hinter dem Hochaltar inne, und Mitglieder ihrer
Familie hatten sie um die Mitte des 14. Jahr-
hunderts durch AndreaOrcagna mit einem Bilder-
zhklus aus dem Leben der Madonna schmücken
lassen. Jm Laufe der Zeit aber wurde das Dach
schadhaft und Regengüsse beschädigten die Fres-
ken des Orcagna. Vergeblich erboten sich andere
Florentiner Familien, den Ricci, die inzwischen
verarmt waren, die Mittel zu leihen, um die
Schäden ausbessern zu lassen; doch diese lehnten
das Anerbieten ab, wohl aus Furcht, das Pa-
tronatsrecht über die Kapelle zu verlieren. End-
lich gelang es dem geschäftskundigen Giovanni
Tornabuoni, sie zu überreden. Er versprach den
Ricci, alle Kosten zu tragen und ihr Wappen
an dem ehrenvollsten Platze in der Kapelle an-
zubringen, womit diese natürlich einverstanden
waren. Aber als die Kapelle eröffnet wurde,
erblickte man überall die Schilde mit dem stei-
genden Löwen der Tornabuoni und nirgends das
Wappen der Nicci. Giovanni Tornabuoni hatte
es, kaum drei Viertel Ellen groß, aber an ehren-
vollster Stelle, über dem Sakramentsschrein, an-
bringen lassen. Vasari, dem wir die Verant-
wortung für die Wahrheit dieser Geschichte über-
lassen, erzählt noch, daß die so schmählich ge-
täuschten Ricci einen Prozeß anstrengten und
verloren. „Dies aber", so schließt Vasari seinen
Bericht, „diene, wenn zu nichts anderem, um zu
beweisen, wie sehr die Armut des Reichtums
Beute ist, und wie Reichtum, gepaart mit Klug-
heit, ohne Makel zum gewünschten Ziele gelangt."
Giovanni Tornabuoni hatte als Teilhaber
des Bankhauses Medici ein großes Vermögen
erworben und war Schatzmeister des Papstes
Sixtus IV. Nach der Verschwörung der Pazzi,
der Giuliano dei Medici, Lorenzos des Prächtigen
Bruder, zum Opfer fiel, war er es, der seine
guten Beziehungen zur Kurie dazu benutzte, den
Frieden zwischen dem Papst und den Medici
wieder herzustellen. Seine Schwester Lucrezia
hatte den Sohn Cosimos des Alten, Piero dei
Medici, geheiratet und wurde die Mutter Lo-
renzos des Prächtigen. Durch diese Verwandt-
schaft und durch kluge Spekulationen hatte sich
die Familie Tornabuoni zu einem der ange-
sehensten und reichsten Geschlechter in Florenz
emporgeschwungen.
Von der Freiheit künstlerischen Schaffens,
wie sie ein moderner Maler genießt, muß Gio-
vanni Tornabuoni eine seltsame Porstellung ge-
habt haben.
Mit größter Genauigkeit bestimmt er in dem
uns noch erhaltenen Kontrakt die einzelnen Szenen
aus dem Leben der heiligen Jungfrau und Jo-
hannes des Täufers, welche die Wände schmücken
sollten. Außerdem bedang er sich das Recht aus,
auf allen Gemälden nach eigenen Vorschriften
Häuser, Tiere, Bäume, Berge und Täler an-
bringen zu lassen. Über die anzubringenden