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Die Kunst dem Volke <München> — 1914 (Nr. 17-20)

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Domenico Ghirlandajo
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https://doi.org/10.11588/diglit.21071#0108
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scheinen läßt, wird nun typisch.
Außer Ghirlandajo hat sie auch
Botticelli in seinem Frühlingsbilde
und in seiner Geburt der Venus
weiter entwickelt. Aber erst Raffael
gibt ihr in der Wasserträgeriu des
Borgobrandes die klassische Form.

Über die Komposition läßt sich
nicht viel Gutes sagen. Die beiden
Frauen, die sich mit dem Kinde be-
schäftigen, sind viel zu weit vou-
einander entfernt. Die Vorder-
grundfiguren sind stark aufreflek-
tiert, wodurch die Figuren im Hin-
tergrunde, vor allem die Wöchnerin,
in ihrem plastischen Eindruck ge-
schädigt werden. Das ganze Fresko
ist überhaupt nur als eine Vor-
stufe anzusehen zu der viel groß-
artigeren Darstellung der Geburt
Marias an der Wand gegenüber
(Abb. 38).

Das Zimmer, in das wir blicken,
ist mit unerhörtem Luxus ausge-
stattet. Reliefs, die aus der Werk-
stätte der Robbia hervorgegangen
zu sein scheinen, wenn sie nicht direkt
aus der Antike stammeu, schmücken

Abb. 32 (Text S. 24> Phot. Hansstaengl

Dom. Ghirlandajo, Aufcrstchung Christi, vom Hochaltar in
S. Maria Novella, Berlin, Kaiscr-Fricdrich-Museum

zwei Wände, und ein Fenster in der rechten
Seitenwand hat die Aufgabe, ihre Formen stärker
zum Ausdruck zu bringen. Links im Hinter-
gruude erblicken wir eine Treppe, die der Maler
zur Darstellung des Wiederseheus zwischen Joa-
chim und Anna benutzt hat. Schon Filippo Lippi
hat in seinem Rundbild des Palazzo Pitti
(Abb. 40) diesen Vorgang als eine Nebenszene
zur Geburt Mariens behaudelt, während ältere
Maler sie auf besonderem Bildfelde vorführten.

Die Gruppe der mit dem Kinde beschäftigten
Dieneriuuen (Abb. 39) ist fester zusammenge-
nommen als auf dem Bilde mit der Geburt des
Täufers, und an die Früchteträgerin auf dem-
selben Fresko erinnert die Dieuerin in slatteru-
dem Gewaude, die das Wasser eingießt, während
das Lächeln des jugeudlichen Mädchens schon an
Leonardo gemahut. Dem Bette der Wöchnerin
uähcrt sich eiue Gruppe vornehm gekleideter
Frauen: An ihrer Spitze ein junges Mädchen,
vielleicht Ludovica, die damals vierzehn- oder
fünfzehnjährige Tochter des Giovanni Torna-
buoni. Das Orauge ihres kostbaren Kleides und
das Gelb uud Lichtblau ihrer Begleiterinnen ver-
einigt sich mit dem Marmor der Reliefs und den
goldenen Verzierungen aus dem Braun des Ge-
täfels zu einer entzückenden Farbenharmonie.
Der ruhige und große Zug der fünf Frauen

Abb. 33 sText S. 24> Phot. Alinari

Dom. Gliirlandajo, Bildnis des Giovanni Tornabuoni
Fresko im Chor von S. Maria Novella
 
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