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Abb. 27 (Teit S. 18) Einzug im unterworscncn Aul Bcjid
daran teilnehmen zu können. Hier war ja die
hohe Schule für einen Schlachtenmaler, zu dessen
Beruf er sich schon längst bestimmt fühlte. Dort
im fernen Kaukasus lag das Traumland seiner
Jugend, nicht im färbigen Westen oder bunten
weichen Süden. Am liebsten hätte er gleich das
Schlachtroß bestiegen, um dem Kampf, der Ge-
fahr und dem ernstesten Leben scharf ins Auge
zu schauen. Gegen den hinreißenden soldatischen
Mut sprach freilich die friedliche Wirtschaftsregel,
daß in der rechtzeitigen Beschränkung doch
auch ein segensreicher Nutzen liege, daß bei
einem neuen Auszug und Einlenken in noch
nicht übersehbare Bahnen, die Mühen, Ergebnisse
und Kosten der spanisch-algierischen Reise geradezu
weggeworfen wären. Es galt wacker auszuhalten
und die Dinge an sich kommen zu lassen. Und sie
blieben nicht aus. Auch andere dachten an ihn
und seine Kunst.
Jm Frühjahr 1858 reiften seine sehnsüchtigen
Wünsche. Horschelt reiste, mit besten Empfehlungs-
briefen des kaiserlich-russischen Gesandten Grafen
von Severin an den oberstkommandierenden Ge-
neral Fürsten Bariatinsky und des genialen
russischen Hofmalers Alexander von
Kotzebue an dessen Schwager, den
Staatsrat von Krusenstern in Tiflis,
ausgestattet, nach dem Kaukasus.
Dem auch hierfür opferbereiten
Vater dankte der edle Sohn, der
seine Geschwister nicht beeinträch-
tigen wollte und aus eigener Kraft
die ergiebigen Hilfsquellen aufge-
bracht hatte. Selbst ist der Mann.
Er ging über Odessa, über die
Riesentrümmerwelt Sebastopols
nach Kertsch und Tiflis, wo Fürst
Alexander Bariatinsky in zuvorkom-
mendster Weise freudig die Befug-
nis erteilte, sich einer gerade gegen
die Lesghier eingeleiteten Expe-
dition anzuschließen. Der Maler
hatte viele Kollegen hier erwartet.
Da keiner daran dachte, war man
doppelt erfreut, einen artistischen
Herold der kommenden Ereignisse
zu erhalten. Der Maler erhielt ein
paar donische Kosaken (Abb. 31),
welche ihn nach mehreren Tagreisen
anden inden lesghischenBergendiri-
gierenden General Baron Wrewsky
richtig abliefern sollten. Jn einer
Vignette „Auf der Reise" mit der
leeren Mappe, im offenen Wägelchen,
hat er sich lustig dargestellt (Abb. 13).
Alles war unterwegs neu, über-
raschend; große Schwierigkeiten er-
gab auch die für beide Teile fremde
Sprache. Unterwegs traf Horschelt
zu Tellaw die Gattin Wrewskys
und deren Schwester, zwei hochge-
bildete Damen, eine georgische Für-
stin und andere Hoheiten, welche ihn zu einem
ländlichen Feste luden, mit orientalischen Tänzen
und Gesängen (Abb. 16). Das ganze reizende Jn-
termezzo trug feinen europäischen Charakter.
Wrewsky empfing den Künstler überaus freundlich,
wie einen Offizier seines Stabes, dem auch alle
übrigen, meist sprachenkundigen Mitglieder sich
kameradschaftlich anreihten.
Eine neue Welt von Land und Leuten tat
sich auf. Eine riesige Natur, ein frisches Berg-
volk in der äußersten Verteidigung seiner Unab-
hängigkeit und Freiheit, mit beinahe urweltlichen
Waffen, unberechenbarer List und unverzagter
Ausdauer. Panzerhemden, Stahlhelme und
Feuerwaffen (Abb. 18). Und das Terrain! Ohne
alle Straßen und Wege, unglaubliche Bergüber-
gänge bei glühender Sonnenhitze und strömenden
Regengüssen, wo auf den schmalsten Steigen die
Mannschaft mit ihren Tieren, mit Waffen, Mu-
nition, Bagage und Lebensmitteln, mit Kranken
und Verwundeten (Abb. 26) im stundenlangen
Zickzack die Kämme überklettert, von steten Ge-
fahren, Steinstürzen und feindlichen Kugeln um-
saust. Dazu dieprimitivstenAuslugposten(Abb.21),
Abb. 27 (Teit S. 18) Einzug im unterworscncn Aul Bcjid
daran teilnehmen zu können. Hier war ja die
hohe Schule für einen Schlachtenmaler, zu dessen
Beruf er sich schon längst bestimmt fühlte. Dort
im fernen Kaukasus lag das Traumland seiner
Jugend, nicht im färbigen Westen oder bunten
weichen Süden. Am liebsten hätte er gleich das
Schlachtroß bestiegen, um dem Kampf, der Ge-
fahr und dem ernstesten Leben scharf ins Auge
zu schauen. Gegen den hinreißenden soldatischen
Mut sprach freilich die friedliche Wirtschaftsregel,
daß in der rechtzeitigen Beschränkung doch
auch ein segensreicher Nutzen liege, daß bei
einem neuen Auszug und Einlenken in noch
nicht übersehbare Bahnen, die Mühen, Ergebnisse
und Kosten der spanisch-algierischen Reise geradezu
weggeworfen wären. Es galt wacker auszuhalten
und die Dinge an sich kommen zu lassen. Und sie
blieben nicht aus. Auch andere dachten an ihn
und seine Kunst.
Jm Frühjahr 1858 reiften seine sehnsüchtigen
Wünsche. Horschelt reiste, mit besten Empfehlungs-
briefen des kaiserlich-russischen Gesandten Grafen
von Severin an den oberstkommandierenden Ge-
neral Fürsten Bariatinsky und des genialen
russischen Hofmalers Alexander von
Kotzebue an dessen Schwager, den
Staatsrat von Krusenstern in Tiflis,
ausgestattet, nach dem Kaukasus.
Dem auch hierfür opferbereiten
Vater dankte der edle Sohn, der
seine Geschwister nicht beeinträch-
tigen wollte und aus eigener Kraft
die ergiebigen Hilfsquellen aufge-
bracht hatte. Selbst ist der Mann.
Er ging über Odessa, über die
Riesentrümmerwelt Sebastopols
nach Kertsch und Tiflis, wo Fürst
Alexander Bariatinsky in zuvorkom-
mendster Weise freudig die Befug-
nis erteilte, sich einer gerade gegen
die Lesghier eingeleiteten Expe-
dition anzuschließen. Der Maler
hatte viele Kollegen hier erwartet.
Da keiner daran dachte, war man
doppelt erfreut, einen artistischen
Herold der kommenden Ereignisse
zu erhalten. Der Maler erhielt ein
paar donische Kosaken (Abb. 31),
welche ihn nach mehreren Tagreisen
anden inden lesghischenBergendiri-
gierenden General Baron Wrewsky
richtig abliefern sollten. Jn einer
Vignette „Auf der Reise" mit der
leeren Mappe, im offenen Wägelchen,
hat er sich lustig dargestellt (Abb. 13).
Alles war unterwegs neu, über-
raschend; große Schwierigkeiten er-
gab auch die für beide Teile fremde
Sprache. Unterwegs traf Horschelt
zu Tellaw die Gattin Wrewskys
und deren Schwester, zwei hochge-
bildete Damen, eine georgische Für-
stin und andere Hoheiten, welche ihn zu einem
ländlichen Feste luden, mit orientalischen Tänzen
und Gesängen (Abb. 16). Das ganze reizende Jn-
termezzo trug feinen europäischen Charakter.
Wrewsky empfing den Künstler überaus freundlich,
wie einen Offizier seines Stabes, dem auch alle
übrigen, meist sprachenkundigen Mitglieder sich
kameradschaftlich anreihten.
Eine neue Welt von Land und Leuten tat
sich auf. Eine riesige Natur, ein frisches Berg-
volk in der äußersten Verteidigung seiner Unab-
hängigkeit und Freiheit, mit beinahe urweltlichen
Waffen, unberechenbarer List und unverzagter
Ausdauer. Panzerhemden, Stahlhelme und
Feuerwaffen (Abb. 18). Und das Terrain! Ohne
alle Straßen und Wege, unglaubliche Bergüber-
gänge bei glühender Sonnenhitze und strömenden
Regengüssen, wo auf den schmalsten Steigen die
Mannschaft mit ihren Tieren, mit Waffen, Mu-
nition, Bagage und Lebensmitteln, mit Kranken
und Verwundeten (Abb. 26) im stundenlangen
Zickzack die Kämme überklettert, von steten Ge-
fahren, Steinstürzen und feindlichen Kugeln um-
saust. Dazu dieprimitivstenAuslugposten(Abb.21),