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dichtes Gebüsch, und es fällt der erste Schuß,
darauf kracht es von allen Seiten, die Artillerie
fährt in Karriere vor, die Raketen zischen, bren-
nende Häuser und Bäume, das Feuer in dunkler
Glut bis zum Himmel aufflackernd, schwarze
und weiße Rauchsäulen durcheinander empor-
stürmend: dann allerdings vergißt man alle
Empfindelei und sagt sich: Nein, noch ein Jahr
will ich hier bleiben, dergleichen sehe ich vielleicht
nie wieder. Und nun beginnt schon das dritte
Jahr und ich weiß nicht, wie lange die kriegerische
Morgenstimmung und die schwärmerische Abend-
sehnsucht miteinander noch abwechseln werden.
Bin ich in München, so werde ich wieder nach
den glühenden Abendstrichen sehen, obwohl der
Kaukasus nach der entgegengesetzten Seite liegt,
und werde schwärmen von dem schönen Lande.
Es ist zu einsältig, ist der Mensch rechts, so sehnt
er sich nach links und so sort, und auf einmal
ist man alt, ohne dahinter gekommen zu sein,
was das Beste und wo es am besten ifl. Jch
glaube, es wird wohl aufs Heiraten hinausgehen,
doch das will eben auch verdient sein. Aber
dann kommen Sorgen und Krankheiten", ein
langes Kapitel, worin der in Rede stehende Freund
vielsach Erfahrungen gemacht hatte. So über-
wog wieder das freudige Soldatenleben, in wel-
chem der Maler, wie er, sich selbst ironisierend, be-
hauptete, doch in seinem „Kosakenkostüm dem
Feinde gewaltig imponierte!" Er schildert einen
dem Tag entgegenziehenden frühmorgendlichen
Abb. 3S (Tert S. 20)
Meldereiter
Abb. 36 (Tert S. 20) Lasttier auf einem Bergpfad
Marsch: wie versteht er den Stift zu sühren, die
Feder wie den Pinsel, immer gleich meisterlich!
Jm November 1860 schuf er für den Fürsten
Bariatinsky einige Bilder und Pferdeporträts,
arbeitete an seinen Tagebüchern, die er später
zu einem selbständigen biographischen Prachtwerke
zu gestalten gedachte — leider ist dasselbe nie
zustande gekommen, stellte mit den schönsten gru-
sinischen Fürstinnen zum Besten der Armen lebende
Bilder —, immer in atemloser Spannung. Einen
Teil seiner Eindrücke versinnlicht das anziehende
kaleidoskopisch wimmelndeLeben in einer„Straße
von Tiflis", das ganz übersponnen vom steten
Wechsel den Orient abschildert: „Hier, oder wo
immer im Lande, sieht man lauter farbig ange-
zogene Menschen herumwandeln, alles bewaffnet
bis an die Zähne; braune Gesichter mit schwarzen
oder brennend rot gefärbten Bärten, zottigen
Mützen, Fez und Turbane von allen Formen,
der eine mit Silber bedeckt, der andere noch viel
schöner in den schönsten Lumpen; dort hochbe-
packte Pferde, Büffel, bespannte Karren mit Tep-
pichen überdeckt, darunter faule Weiber und Kin-
der liegen; Kamele in unabsehbaren Reihen, von
Kurden und anderem Gesindel geführt, einen
farbigen Fetzen um die spitze, hohe, weiße Filz-
mütze gewickelt, die lange Pfeife in den Nacken
gestecktff — und auf all dieses die Ludwigsstraße
oder eine Schiedsgerichtssitzung im Kunstverein,
gräßlich, gräßlich!"
Jm Sommer 1861 besuchte der Maler aus
einer Nachlese das ganze Terrain der lesghischen
Linie, seine früheren Erfahrungen ergänzend;
im August erging die Einladung, den 5?aiser auf
dessen Jnspektion des bisherigen Kriegsschauplatzes
zu begleiten. Als Kurier eilte er der Majestät
nach Taman, gegenüber von Kertsch, am Asow-
schen Meer, entgegen. „Daraus galoppierten wir
dichtes Gebüsch, und es fällt der erste Schuß,
darauf kracht es von allen Seiten, die Artillerie
fährt in Karriere vor, die Raketen zischen, bren-
nende Häuser und Bäume, das Feuer in dunkler
Glut bis zum Himmel aufflackernd, schwarze
und weiße Rauchsäulen durcheinander empor-
stürmend: dann allerdings vergißt man alle
Empfindelei und sagt sich: Nein, noch ein Jahr
will ich hier bleiben, dergleichen sehe ich vielleicht
nie wieder. Und nun beginnt schon das dritte
Jahr und ich weiß nicht, wie lange die kriegerische
Morgenstimmung und die schwärmerische Abend-
sehnsucht miteinander noch abwechseln werden.
Bin ich in München, so werde ich wieder nach
den glühenden Abendstrichen sehen, obwohl der
Kaukasus nach der entgegengesetzten Seite liegt,
und werde schwärmen von dem schönen Lande.
Es ist zu einsältig, ist der Mensch rechts, so sehnt
er sich nach links und so sort, und auf einmal
ist man alt, ohne dahinter gekommen zu sein,
was das Beste und wo es am besten ifl. Jch
glaube, es wird wohl aufs Heiraten hinausgehen,
doch das will eben auch verdient sein. Aber
dann kommen Sorgen und Krankheiten", ein
langes Kapitel, worin der in Rede stehende Freund
vielsach Erfahrungen gemacht hatte. So über-
wog wieder das freudige Soldatenleben, in wel-
chem der Maler, wie er, sich selbst ironisierend, be-
hauptete, doch in seinem „Kosakenkostüm dem
Feinde gewaltig imponierte!" Er schildert einen
dem Tag entgegenziehenden frühmorgendlichen
Abb. 3S (Tert S. 20)
Meldereiter
Abb. 36 (Tert S. 20) Lasttier auf einem Bergpfad
Marsch: wie versteht er den Stift zu sühren, die
Feder wie den Pinsel, immer gleich meisterlich!
Jm November 1860 schuf er für den Fürsten
Bariatinsky einige Bilder und Pferdeporträts,
arbeitete an seinen Tagebüchern, die er später
zu einem selbständigen biographischen Prachtwerke
zu gestalten gedachte — leider ist dasselbe nie
zustande gekommen, stellte mit den schönsten gru-
sinischen Fürstinnen zum Besten der Armen lebende
Bilder —, immer in atemloser Spannung. Einen
Teil seiner Eindrücke versinnlicht das anziehende
kaleidoskopisch wimmelndeLeben in einer„Straße
von Tiflis", das ganz übersponnen vom steten
Wechsel den Orient abschildert: „Hier, oder wo
immer im Lande, sieht man lauter farbig ange-
zogene Menschen herumwandeln, alles bewaffnet
bis an die Zähne; braune Gesichter mit schwarzen
oder brennend rot gefärbten Bärten, zottigen
Mützen, Fez und Turbane von allen Formen,
der eine mit Silber bedeckt, der andere noch viel
schöner in den schönsten Lumpen; dort hochbe-
packte Pferde, Büffel, bespannte Karren mit Tep-
pichen überdeckt, darunter faule Weiber und Kin-
der liegen; Kamele in unabsehbaren Reihen, von
Kurden und anderem Gesindel geführt, einen
farbigen Fetzen um die spitze, hohe, weiße Filz-
mütze gewickelt, die lange Pfeife in den Nacken
gestecktff — und auf all dieses die Ludwigsstraße
oder eine Schiedsgerichtssitzung im Kunstverein,
gräßlich, gräßlich!"
Jm Sommer 1861 besuchte der Maler aus
einer Nachlese das ganze Terrain der lesghischen
Linie, seine früheren Erfahrungen ergänzend;
im August erging die Einladung, den 5?aiser auf
dessen Jnspektion des bisherigen Kriegsschauplatzes
zu begleiten. Als Kurier eilte er der Majestät
nach Taman, gegenüber von Kertsch, am Asow-
schen Meer, entgegen. „Daraus galoppierten wir