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Die Kunst dem Volke <München> — 1916 (Nr. 25-28)

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Doering, Oscar: Der Bamberger Dom
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Abb. 41 (Text S. 21>

Abb. 42 (Tert S. 21)
Kops der Reitcrfignr

Verlag L. Wcrner, Münchcn

Wagschale des Guten, und ste fuhr mit Gewalt ab-
wärts, und vom Stoße fiel der Kelch aus der
Schale, also daß der eine Henkel abbrach. So
war des Kaisers Seele gerettet. Der Einsiedel aber
verwunderte sich sehr und sandte Menschen gen
Merseburg, und sie kehrten wieder und meldeten,
an dem Kelche daselbst sei wahr und wahrhaftig
der eine Henkel abgebrochen gefunden worden. —
Die Hauptsigur des Reliefs ist der hl. Erzengel
Michael. Mit der rechten Hand schwingt er das
Schwert, in der linken hält er die Wage. Ver-
gebens ist ein Teufel in die eine Schale hineinge-
sprungen, während zwei audece sich daran hängen.
Die andereSchale hat doch das Übergewicht. Denn
St. Laurentius hat den (mit nur einem Henkel
versehenen) Kelch in sie gelegt, steht nun ruhig
und zuversichtlich da und zeigt auf den im Hin-
tergrunde sichtbaren Kaiser, der die Hände betend
erhebt. Die Köpfe, sowie die Linien der Gewänder
sind außerordentlich schön, besonders ausdrucks-
voll die Haltung St. Michaels; seine Flügel
sind ausgebreitet, sein Mantel wallt, als wäre
es uoch vom schnelleu Fluge.

Die westliche Schmalseite zeigt den Kaiser Hein-
rich auf dem Sterbelager. Nach kirchlicher Über-
lieferung hatte er mit Kunigunde in der Ehe wie
ein Bruder mit seiner Schwester gelebt. Das
fünfte Relief des Sarkophages schildert nun die
von den Geschichtsschreibern berichtete Szene, wie
der sterbende Kaiser seine Gemahlin ihren Ver-
wandten als Jungfrau wieder zurückgibt. Die
gottergebeneStimmuug desKaisersunddieTrauer
der Umgebung sind ergreifend geschildert. Beson-
ders von den Nebenpersonen zeigen mehrere recht
charakteristische Gesichtszüge.

Am wenigsten kann bei allen dieseu Reliefs

der Kopf Heinrichs befriedigen. Er ist rein ideal
aufgefaßt, das Gesicht herb, aber ohne tieferen
Ausdruck; der gewaltige Haar- und Bartwuchs
ist bestimmt, dem Kopfe etwas Feierliches zu ge-
ben, aber diese Absicht ist infolge der innerlichen
Mattigkeit der Figur nicht erreicht. Jndividueller
ist der Kopf Kunigundes. Persönliches Leben er-
füllt vor allem eine Anzahl der Nebenfiguren.
Es herrscht also bei diesem Werke Riemenschnei-
ders noch die gleiche Auffassung idealistischer
und realistischer Schilderung, wie sie das ganze
Mittelalter hindurch zu beobachten ist.

Die Betrachtung des Bamberger Domes wäre
uuvollständig ohne die seiner Nebenräume. Sie
bieteu des Schöneu und Jnteressanten eine reiche
Fülle.

An das südliche Seitenschiff stößt die kleine
Kapelle des hl. Antonius. Auf ihrem Altare
steht eiu Gemälde, das jetzt dem Hans von Kulm-
bach (st um 1522), einem Künstler aus dem Kreise
Albrecht Dürers, zugeschrieben wird. Es ist ein
Allerheiligenbild; die um den gekreuzigten Er-
löser versammelten himmlischen Scharen sind vou
einem Rosenkranze eingerahmt. Unten auf der
Erde kniet die Menschheit; einzelne wichtigc Per-
soneu sind bildnisähnlich dargestellt: man erkennt
den Papst Leo X., den Kaiser Maximilian, so-
wie zahlreiche Fürsten derselben Zeit.

Vom südlichen Querschisfarme führt eine Pforte
in die einige Stufen tiefer liegende hl. Nagel-
kapelle (Abb.47). Sie ist darum so benannt, weil
in ihr die Reliquie eincsNagels vom KreuzeChristi
zur Ausstellung gelangt. Die Nagelkapelle ist ein
langgestreckterRaum, der durch eineSäulenstcllung
 
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