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Abb.5 (Text S.15)
Der Renegat
Die fröhli.che Aussicht, als
wohlbestallter Provisor zu
Zürich oder St. Gallen ein-
zutreteu, vereitelte 1833 ein
schwererTyphus,welchereinen
längeren Erholungsaufent-
halt in dem am Fuße des
Peißenberges gelegenen Bad
Sulz benötigte. Der gütige
Zufall fügte, daß hier mehrere
Dilettanten und Künftler zu-
sammentrasen, unter ihnen
der edleChristian Heinrich
Hansonn^), der sich gleich-
falls aus einem andern Lebens-
beruf zur Malerei durchge-
rungen hatte. Dazu kam, daß
Oi'. Zeuß, der Besitzer dieser
Kuranstalt, selbst ein begeister-
ter Kunstfreund, allen seinen
Gästen empfahl, nicht allein
die schöne Natur zu genießeu,
sondern auch durch Zeichnun-
gen in der Erinnerung festzu-
halten. Da dem Drängen des
„Herbergvaters" nicht auszu-
kommen war, so mußten nicht
den Schilderungen des damaligen Prinzipals denkt man unwillkürlich an
Clemens Brentanos „Apotheker Pinkepank und dessen bittersüße Gattin
Quaßia". Ungekochte Süßholzwurzel mag ihm manchmal auf die Finger
geklappst haben, wenn er schönen Mädchen nebenbei verzuckerte Mandeln
usw. oderPfeffernüsse und andere Schlecksüßigkeiten inSilber-, Gold- oder
Seidenpapier zu den bitteren Arzneien als Gratisbeigaben schmuggelte.
Aus den heiteren Staffagen seiner spätereu Apotheken-Jnterieur-Bilder
lacht uns heute noch manch schalkhaftes Erlebnis entgegen, zum stillen
Privatvergnügen des sich selbst Jronisierenden, welcher in der Galerie
seinerErinnerungensolcheGeschäftskundenrrti-1rr8<4U6 Asirsi'is inlustigen
Skizzen stets vorrätig auf Lager hielt.
Sein Vater war indessen schon zu Ende des Jahccs 1828 gestorben;
er mochte wohl vou seinem Sohne Karl, wie ehedem Herr Rat Goethe zu
Frankfurt von seinem Wolfgang, als von einem „singulären Menschen"
gesprochen und vou einer sicheren Heiratdesselbenmiteinerschönen, jungen
und reichen Apothekerswitwe geträumt haben; eine solche Offizin galt
damals, wie heute noch, als wahre Goldgrube.
Jm Oktober 1830 bezog Jung-Spitzweg die kurz vorher von Landshut
nach der Hauptstadt verlegte Universität, welche er nach zweijährigem
fleißigem Studium mit der Note der Auszeichnung verließ. Jm Besitze
guterMittelerlaubteerstcheinelängstgeplanteFahrtnachdemhochbelobten,
vielersehnten Jtalien, welches er bis in den tiefen Süden, offenen Auges
Land und Leute aufnehmend, durchzog.
Abb. 6 (Text S. 18> Ein Moslim Phot. F. Bruclmonn A.-G.
Abb.5 (Text S.15)
Der Renegat
Die fröhli.che Aussicht, als
wohlbestallter Provisor zu
Zürich oder St. Gallen ein-
zutreteu, vereitelte 1833 ein
schwererTyphus,welchereinen
längeren Erholungsaufent-
halt in dem am Fuße des
Peißenberges gelegenen Bad
Sulz benötigte. Der gütige
Zufall fügte, daß hier mehrere
Dilettanten und Künftler zu-
sammentrasen, unter ihnen
der edleChristian Heinrich
Hansonn^), der sich gleich-
falls aus einem andern Lebens-
beruf zur Malerei durchge-
rungen hatte. Dazu kam, daß
Oi'. Zeuß, der Besitzer dieser
Kuranstalt, selbst ein begeister-
ter Kunstfreund, allen seinen
Gästen empfahl, nicht allein
die schöne Natur zu genießeu,
sondern auch durch Zeichnun-
gen in der Erinnerung festzu-
halten. Da dem Drängen des
„Herbergvaters" nicht auszu-
kommen war, so mußten nicht
den Schilderungen des damaligen Prinzipals denkt man unwillkürlich an
Clemens Brentanos „Apotheker Pinkepank und dessen bittersüße Gattin
Quaßia". Ungekochte Süßholzwurzel mag ihm manchmal auf die Finger
geklappst haben, wenn er schönen Mädchen nebenbei verzuckerte Mandeln
usw. oderPfeffernüsse und andere Schlecksüßigkeiten inSilber-, Gold- oder
Seidenpapier zu den bitteren Arzneien als Gratisbeigaben schmuggelte.
Aus den heiteren Staffagen seiner spätereu Apotheken-Jnterieur-Bilder
lacht uns heute noch manch schalkhaftes Erlebnis entgegen, zum stillen
Privatvergnügen des sich selbst Jronisierenden, welcher in der Galerie
seinerErinnerungensolcheGeschäftskundenrrti-1rr8<4U6 Asirsi'is inlustigen
Skizzen stets vorrätig auf Lager hielt.
Sein Vater war indessen schon zu Ende des Jahccs 1828 gestorben;
er mochte wohl vou seinem Sohne Karl, wie ehedem Herr Rat Goethe zu
Frankfurt von seinem Wolfgang, als von einem „singulären Menschen"
gesprochen und vou einer sicheren Heiratdesselbenmiteinerschönen, jungen
und reichen Apothekerswitwe geträumt haben; eine solche Offizin galt
damals, wie heute noch, als wahre Goldgrube.
Jm Oktober 1830 bezog Jung-Spitzweg die kurz vorher von Landshut
nach der Hauptstadt verlegte Universität, welche er nach zweijährigem
fleißigem Studium mit der Note der Auszeichnung verließ. Jm Besitze
guterMittelerlaubteerstcheinelängstgeplanteFahrtnachdemhochbelobten,
vielersehnten Jtalien, welches er bis in den tiefen Süden, offenen Auges
Land und Leute aufnehmend, durchzog.
Abb. 6 (Text S. 18> Ein Moslim Phot. F. Bruclmonn A.-G.