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Die Kunst dem Volke <München> — 1916 (Nr. 25-28)

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Holland, Hyazinth: Karl Spitzweg
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https://doi.org/10.11588/diglit.21067#0053
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Abb. 8 iText S. 22) Phot. F. Bruckmaun A.-G.

Dcr Gcologe

Unterweisung. Seinem Vorbild folgend und unter den
Augen des Mentors wagte Spitzweg, abermals als Lehr-
ling, seine erste staffierte Landschaft, welche der Kunst-
Nerein zu Hannover erstand (1836). Dagegen errang das
heitere Genrestück „Der arme Poet" (Abb. 3) nicht die auf
einen Schlag nötige verständnisinnige Aufnahme des
Kunstverein-Publikums, auch in der damals noch sehr
kindlichen Kritik keine packende, eher abkühlendeWirkung.
Der Stoff war zwar aus dem Leben geholt, doch wußte
der Beschauer nichts damit anzufangen. Der Maler,
welcher vielleicht an den verschollenen Dichterling Ma-
thiasEtenhuber dachte (1720-82),denHerausgeber
eines gereimten „Münchener Wochenblatt" (1759—77),
schildert einen philisteriösen Pedanten, der mühsam
an den dürren Fingern skandierend und federkauend,
seine holperigen Neimereien aus einem mächtigen Tin-
tenglas zu Papier bringt") in einem windigen Man-
sardenkämmerchen, auf armseligem Bodenlager, frö-
ffelnd in Decken gehüllt, mit verbundenem, schlafkappen-
bedecktem Kops, zur Seite schwere, für ihn ganz un-
brauchbare Folianten, gegen die vom Dach sickernde
Feuchtigkeit durch ein riesiges „Regen-Parasol" ge-
schützt, klappernd vor Frost, da der mit Handschriftlichen
Schätzen des Dichters bediente alte Blechofen eine wohl-
tuend ausstrahlende Wirkung verweigert. Das in zwei
Varianten existierende Bild, welches 1840 auf der
Kunstausstellung zu Halberstadt erschien (vgl. Stutt-
garter Kunstblatt, 1840, S. 386), dann erst nach dem
Tode des Malers wieder zu München auftauchte und
durch den Neffen des Künfflers, Herrn Hofmusikalien-
händler Eugen Spitzweg, 1887 in die Neue Pinakothek
gestiftet wurde, war etwas schwer in der Farbe, doch
fest und sicher gezeichnet, vielleicht in unbewußter

Jronie, daß dem neuenMaler die Ausübung seiner
Kunst ebenso hart und sauer wurde, wie dem
knifsigen Poetasten. Und doch enthielt das Opus
schon ein Programm, dessen weitere Lösung frei-
lich noch niemand ahnte. Damit find die Wand er-
jahre eingeleitet!

Der durch das Mißverstehen seiner Leistung
sehr empfindlich berührte Künftler wäre beinahe
an feinem neuerwählten Berufe irre geworden.
Er beschickte nicht weiter mit seinen Erzeugnissen
die Ausstellungen des Münchener Kunstvereins;
nach auswärts gingen aber immer noch unter einsil-
bigen, meist wechselnden Namen, seine neuesten
Schöpfungen, welche Beachtung fanden und auf
der Nückkehr in die Jsarstadt in Gastrollen er-
schienen, wo ihr Urheber dann wohl im stillen
sich gaudierte, wenn ihm die Meinungen seiner
Fachgcnossen zuGehör kamen. Die Akademie mied
er absichtlich zu weiterer Bildung, es war dort
kein Platz für einen Sonderling seinesgleichen
und für einen erklärten Genremaler; so suchte er
auf eigene Fauft, im freundlichen Verkehr mit
anderen, unbemerkt fortschreitende Förderung sei-
nes so tastenden Selbstbewußtseins, wobei man-
ches Echo von auswärts aber doch auf die richtige
Scholle fiel und den Boden selbstbewußten Zu-
trauens nährend befruchtete. Jn München zählte

Abb. S (Text S. 22) Phot. F. Bruckmrnn A.-G.

Jn der Tropfsicinhöhlc
 
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