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Die Kunst dem Volke <München> — 1916 (Nr. 25-28)

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Holland, Hyazinth: Karl Spitzweg
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https://doi.org/10.11588/diglit.21067#0055
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Abb. 11 (Text S. 20>

Der Büchcrwurm

Von da tollten die Wanderlustigen nach dem
nahen Pullach, welches der Tier- und Land-
schaftsmaler SebastianHabenschadenZ so innig
liebte, daß er daselbst einen Maientag stiftete, der
seither zu einem wiederkehrenden Kirchgang mit
folgendem Volkssest anwuchs. Dann ging es talauf-
wärts an den von Flößern belebten Wassern der
Jsarnach dem uraltenWolfratshausen. Ebenso
beliebt war von da ein Ausflug über den Höhen-
grat nach Ammerland oder gleich kurzweg in
das von der Würm durchplätscherte Mühlthal und
das liebliche Seegelände Starnbergs, während
das nahe, hochgelegene Dachau mit seiner herr-
lichen Fernsicht nach dem Peißenberg und der ge-
samten Alpenkette — ein wahres Distichon mit den
beiden Spondeen vom Watzmann und der Zug-
spitz, mit den inneliegenden Daktylen des Wendel-
stein und der Benediktenwand — als nur von
Schleich entdeckt galt und das näher liegende
Schleißheim, trotz seiner Bildergalerie erst durch
Zwengauers zarttonige abendliche Stim-
mungsbilder bekannt wurde. Meist rückten die
landläufigen Schwarmgeister am blauen Montag
mit erleichtertenTaschen und leerenSkizzenbüchern
in ihre Münchener Standquartiere zurück. Doch

arbeitete längst seßhaft eine stille Kolonie zu Polling
und Egelfing, bahnbrechend angeführt von den
beiden Zimmermann, Seidel, Voltz und anderen.
Jndessen wurde auch im Ostcn das spiegelklare
„Bayerische Meer" des Chiemsees von Christian
Ruben uud Max Haushofer „entdeckt" und nebst
dessen „Jnsulanern" durch die „Chronik der uner-
hörten Malerherberg" von Friedrich Lentner^) „zur
Kenntniß der überigen Erdteil" gebracht und fleißig
mit Erfolg weiter nutzbar besiedelt.

Jn dem nibelungenhaft klingenden Vöhring oder
auf der Menterschwaige gab es zeitweilig auch so-
genannte „Richt- und Hebefeste", wenn einer der
Großen, wie Cornelius oder Schnorr, einen Saal
vollendet hatte oder ein Haupthahn und Namhaftiger
Hochgezite oder Brautlauf hielt. Allgemeine Beteili-
gung erregte die im Zwingergärtlein des nahen Blu-
tenburger Schlößleins in voller Tagfahrt unter freiem
Himmel mit einer möglichst streng historischen Ko-
stümierung inszenierte Aufführung von „Wallensteins
Lager": Ein farbenberauschtes Freilichttreiben im
vollsten Sinne des Wortes, wovon uns leider kein
Lied und Heldenbuch nach dem damaligen Tiefstand

Abb. 12 (Text S. 20>

Phot. Fr. Hansstacngl

Ein Kaktuspfleger
 
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