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Die Kunst dem Volke <München> — 1916 (Nr. 25-28)

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Holland, Hyazinth: Karl Spitzweg
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Abb. 28 kText S. 22) Phot. F. Bruckmann A.-G.

Dcr Gitarrist

immer viel gesucht, in den Handel gegeben und
dann erst in einem Hefte oberflächlich verbucht.
Dabei gab es wohl durch Verspätung irrige Ein-
träge, auch durch immer weitere Veründerung der
Jnszenierung, Stafsage und Stimmung, des For-
mats, der Benennung oder anderweitiger Zu-
stände. Alles war echt und immer wahr, mit
dem „Spitzweg" monogrammiert, nach einem
damals vier Kreuzer werten, in Nautenform ge-
backenen Brote, wie der Historienmaler Josef
Scherer sich gerne einer Schafschurschere als
Handzeichens bediente.

-r-

Endlich sollte, was Rahlso dringlich empfahl,
zur Wahrheit werden. Die neue Argonautenfahrt
nach dem goldenen Vlies der stolzen Venezia
wurde zu Beginn der ruhiger gewordenen fünf-
ziger Jahre angetreten. Aber die Wünschelrute
schlug auf die Schätze des Dogenpalastes und der
Akademie nicht nach erwarteter Wirkung an. Spitz-
weg begnügte sich mit etlichen Türken und orien-
talischen Kaffeehausszenen (Abb. 6u. 7), die er
schon seit seiner srüheren Spritztour nebst der

bitteren „Dogana" kannte. Schleich fühlte
keinen Beruf zur Marine. Morgenstern blieb
der deutschen Heimat getreu. Nur Stange
schwelgte schon seit seinem „Verona" im schwül-
dämmernden Zauber der Mondnächte. Ebenso
wie Emil Kirchner alles kleine zerstreute
Detail von den reizenden Winkeln in seine
Architekturen bannend häufte. Keiner fand,
ebensowenig wie I. V. Scheffel, „des Lotus
süße Kernfrucht, die der Heimat Ängedenken
und der Rückkehr Sehnsucht austilgt, auf den
welschen Pfaden".

Ein Jahr vorher hatten Schleich und Spitz-
weg mit dem prächtigen Dietrich Langko'^),
der sich vom Stuben- und Dekorationsmaler
zur Kunst siegreich durchrang, eine Spritzfahrt
über das unerschöpfliche Rothenburg nach dem
schönen Maintal, bis nach Staffelstein und
Banz unternommen. Unterwegs trafen sie
unerwartet eine stattliche, zur Herberge ladende
Wirtschaft. Der joviale wackere Gastgeber lud
zur Nächtigung, den Fremden einen mit vielen
guten Betten reich belegten, langen, ganz mit-
telalterlichen Saal anweisend, in welchcm
zwischen Spiegelleuchtern eine ganze Ahneu-
galerie von Pfarrherren und Edelleuten mit
ihren Frauen an den Wänden prunkte; ein ob
seinec Neinlichkeit anheimelndes, aber unbc-
setztes, wohlbehäbiges Haus. Der stattliche
Herbergvater traktierte seine ehrenhaften Herrcu
mit guten Bissen, holte kühle Labung aus dcm
Keller, entkorkte unerwartete Flaschen und sctzte
sich auf „mit Verlaub" zu seinen werten Kundeu.
Als er zu nachtschlafender Zeit selbst das Gelcit
gab und den hochschlanken Messingleuchter auf
den Tisch stellte, sah der Wirt verwundert rings-
um,suhr mit demHandrücken über dieAugen mit
staunendem Ausruf; denn sämtliche Herren und
Frauen glotzen scheeläugig, mit ausgestrecktenZun-
gen und zähnebleckend aus ihren Rahmen. Mit
dem Stoßseufzer: „Nun weiß ich nicht, bin ich
verhext oder die Bilder!" — wünschte er den Her-
ren „ruhsame Nacht!" Am andern Morgen, als
der lustige Sch leich die schnell und heimlich auf-
gesetzten Lasuren schon wieder abgewischt und
schadlos entfernt hatte, schieden die Freunde nach
billiger Schätzung in beiderseitiger Zufriedenheit
und dem aufrichtigenWunsche baldigerWiederkehr.

Der großgünstige Zufall führte sie nach Pom-
mersfelden und in die ihnen bisher völlig unbe-
kannte Galerie des GrafenSchönborn-Wiesentheid,
welche nicht allein unschätzbare Perlen von Rem-
brandt, Tenier, Ostade, van der Poel und anderen
Holländern barg, sondern auch von den in Deutsch-
land noch seltenen Fromentin, Decamps, Eugsne
Delacroix, Marilhat, deffen „Straße in Kairo"
Spitzweg zu kopieren begann, ebenso wie er Jsa-
behs „Frauenbad" (Nationalgalerie zu Berlin) in
deutsche Nachdichtung übertrug. Jn München ver-
tieste sich der neue Adept mit dem forschenden Grü-
beln eines Alchimisten in John Burnets „?riu-
eixlss ok üc.rt" und mit der Devise „Auf nach
 
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