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Die Kunst dem Volke <München> — 1916 (Nr. 25-28)

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Holland, Hyazinth: Karl Spitzweg
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https://doi.org/10.11588/diglit.21067#0083
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Abb. 57 <Text S. 2g)

Der fliegende Buch- und Kunstladeu

mächtiger Wirkung, daß dem Bürgermeister als Fest-
redner die Stimme versagte. Lautlos übergab derselbe
dann die in der Brusttasche vorsorglich verwahrteil Ma-
nuskripte an seinen Kollegen, welcher vor überquellenden
Tränen der Rührung nicht zu lesen vermochte. So
wurde das Werk unter tausendstimmigem Jubelruf und
den feierlichsten Klängen vonMusik und Sang inauguriert.
Vgl. Franz von Reber: „Bautechnischer Führer durch
München" 1876, S. 75.

2) über den Arzt Spitzweg ist am wenigsten be-
kannt geworden, uur daß er seine Studien in München
und Wien sehr gut beendete, aber auf einer wissenschaft-
lichen Reise, insbesonders zur Untersuchung der Cholera,
in Ägypten als Opfer dieser Krankheit zu Kairo ver-
schollen starb.

Christian Heinrich Hansonn, geboren 1791 zu Altona,
stammte von armen Eltern (Webern) welche er frühzeitig
verlor, lernte im Waisenhause die Weberei, diente einem
Gaukler und Seilspringer, wurde Anstreicher und Maler,

versuchte sich mit Glück im Porträt zu
Stralsund; unstete Wanderlust trieb ihn
nach Celle, wo er kurze Zeit die Stelle
eines Zeichnungslehrers versah, die er
aus Not mit einer Tätigkeit als Clown
im Zirkus Wolff vertauschte. Nach aller-
lei Wandlungen in Wien zog er mit dem
dänischen Maler Bravo nach Rom, wo er
in bitterltem Elend lange nur mit Kaffee,
Obst und Brot sein Leben fristete, was
ihm das Jammerwort auspreßte: „Zweck
der Historienmalerei ist Hunger" s'Mit-
teilung von Spitz weg am 31. August 1878).
Hansonn komponierte und malte viele
Bilder für englische Stipendiaten, die
ihren Namen darunter setzten und als
eigenc Schöpfungen in die Heimat schick-
ten, ihn aber gut bezahlten. Vorüber-
gehende Förderung wurde ihm durch
Reinhardt, sowie A. Koch und Cornelius,
so daß er sieben Jahre aushielt. Wieder
in der Heimat, wurde ec durch die
Gönnerschaft des Etatsrat Donner in-
stand gesetzt, abermals nach Rom und
Neapel zu gehen, auf dem Rückweg
(über Mailand) gelang es H., in Mün-
chen ziemlich festen Fuß zu fassen (1830
bis 45). Hier entstanden seine besten
Schöpfungen: „Erweckung des Jünglings
von Naim", „Christus am Oelberg" (für
den Großhändler Negrioli) eine „Magda-
lena" (für Prof. und Reichsrat Dr. Hie-
ronymus von Bayer); der ein entschla-
fenes Kind in die himmlische Heimat
auftragende Engel — eine ganz origi-
nelle Jdee, welche nachmals Wilhelm
Kaulbach glückhaft adoptierte. Jnsbe-
sondere gewann großes Aufsehen sein
„Fischer" (nach Goethe); die Skizze dazu,
selbst schon ein vollendetes Werk, war in
Besitz von Spitzweg (lithographiert von
Hanfstaengl alsKunstvereins-Gabe1833),
in Stahlstich von F. Engleheart in
London (vielleicht ein Schreibfehler wie
die falsche Signatur H ansen), womit er
seinen Namen in ehrenvollster Weise für
alle Zeit stcherte (Abb. in Pechts: „Mün-
chener Kunst" 1888, S. 147). Dazu viele
Genrebilder (Badende Mädchen) und
zahlreiche Porträts, z. B. der Kunstsamm-
ler Frhr. von Aretin (gestochen von Hein-
rich Meher), der Maler Morgenstern usw.
Jn Hohenschwangau die Fresken im
Badezimmer und mit Bernhard Neher
und Glink die Szenen aus dem Leben der
Burgfrauen. Mehrere größere Kartons
nach mythologischen Stoffen blieben lei-
der unausgeführt. Jn Kärnten (Pecht
fabelt von einem Kloster in Steiermark)
schmückte H. die Wallfahrts-Kirche des
hl. Florian zu Stein (nächst Klagenfurt) mit einem
Zhklus, 1845. Nochmals wendete er sich nach Jtalien,
kehrte aber mit einem bedenklichen Augenleiden kämpfend,
nach Altona zurück, wo er am 1. Mai 1863 an der Wasser-
sucht im Spital starb. Er war einer der schönsten Männer
seiner Zeit und noch in den letzten Jahren seines vielbe-
wegten, von einem österreichischen Dichter auch novellistisch
geschilderten Lebens, eine imposante Erscheinung, so daß
er beim Dürer-Fest 1840 die Rolle eines mit einem ausge-
rissenen Baumstamm bewaffneten „Wilden Mannes" im Ge-
folge des Kaisers Maximilian spielen konnte; sein von Josef
Petzl gezeichnetes Bildnis in der „Graphischen Sammlung"
zu München. Vergl. Kunstblatt, Stuttgart 1835, S. 58.
Graf Raczynski, Gesch. der neueren Kunst1840, II, 244ff.
Nagler, Lexikon 1837, V, 556. Venanz Müller, Hand-
buch für München 1845, S. 135. „Hamburger Künstler-
Lexikon". 1854, S. 104. „Allgem. Deutsche Biographie"
1879, X, 543.

Z Gleichzeitig zeichnete ein junger Künstler, auch zu

Phot. Fr. Hanfstaengl
 
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