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Die Kunst dem Volke <München> — 1916 (Nr. 25-28)

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Holland, Hyazinth: Karl Spitzweg
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https://doi.org/10.11588/diglit.21067#0084
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Beginn seiner Studien, in dem nahege-
legenen schwäbischen Ettelried einen
mächtigen, merkwürdigen Lehmofen mit
der anstoßenden Bettlade: Josef Scherer
(Abbildung im „Baherland" 18. Okto-
ber 1915), dessen merkwürdiger Lebens-
lauf hier nur in Kürze angedeutet wird.

Josef Scherer, von bäuerlicher Her-
kunft, geb. 1. November 1814 zu Ettel-
ried, hochveranlagt, erhielt seine erste arti-
stische Anleitung zu Augsburg und an
der Münchener Akademie, wo ec sich als
Öl- und Fresko-Maler bildete und als
einer der Ersten die von I. M. Frank
neuentdeckte Glasemailtechnik aneignete.

Jn zweijähriger Arbeit malte Scherer
Fresken in der Residenz des Königs Otto
zu Athen, sammelte umfangrciche ethno-
graphische Studien für künftige Bilder
auf langen Fahrten durch die griechischen
Jnseln, auch in Smyrna und Konstan-
tinopel, durchstreifte auf der Heimfahrt
ganz Jtalien. Nach Stuttgart berufen,
um nach Bernhard von Nehers Kartons
die Stiftskirche unter Beihilfe seiner
Brüder, mit zwölf vierzig Schuh hohen
Fensterbildern zuschmücken, oblag Scherer
1847-53 dieser glänzenden Leistung, um
dann in München eine eigene Anstalt für
Glasmalerei zu begründen, aus welcher
viele Werke in die weite Welt gingen.

Er beschloß sein reiches Schaffen am
25. März 1891 in seiner stillen Heimat zu
Ettelried, wo er nicht allein die dortige
Kirche auf seine Kosten restaurierte, son-
dern auch viele andere charitative Stif-
tungen gründete. Vgl. „Allgemeine Deut-
sche Biographie" 1894. 35, 775ff. „Histor.

Polit. Blätter" 1914, 154, 712 ff. und
Staudhamers Zeitschrift „Die christl.

Kunst" 1914, 11, 33ff. G. Mader im
„Bayerland" 1914. Nr. 25, 57ff. Jener
Kachelofen" (die spätereTradition machte
einen „Kalkofen" daraus) scheint aber
nicht die erste Zeichnung Spitzwegs ge-
wesen zu setn, da die „Maillinger-Samm-
lung" (1876. II, 128 Nr. 2324) eine Fe-
derzeichnung in Gr. Folio „Landschaft
mit Bauernhaus unter Bäumen an einem
See" besitzt, signiert mit 1823 (voraus-
gesetzt, daß hier kein Falsum oder Schreib-
fehler obwaltet). Daselbstauch ein„Schul-
meister in Aengsten", lithographiert von
I. Bergmann.

^) Ebenso unnötigerweise skandierend
— was ec bei seinen kurzen Reimzeilen
gar nicht benötigte, unter einem Haufen
für ihn nutzloser Folianten, hat später
Kaulbach seinen grübelnden „Hans
Sachs" in den Vordergrund seiner Re-
formationsbilder gesetzt, als kläglichen Vertreter der fröh-
lichen Volksdichtung, welche dem heiteren Schuster mühe-
los und ungezwungen aus der Feder floß — gleichsam
eine unwillküvliche Erinnerung an Spitzwegs „Armen
Poeten"!

°) Sebastian Habenschaden (* 29. März 1813 zu
München, ch das. 7. Mai 1868), ein an Spitzweg erinnern-
der unerschöpflich genialer, seine Gemütstiefe hinter
schnurrigen Formen bergender, hagestolzer Charakterkopf,
der seine Landschaften am liebsten mit entsprechenden
Tieren und Menschen belebte, treffliche Radierungen
lieferte, plastische Humoresken in Wachs modellierte
und in Erzguß vervielfältigte, z. B. lauernde Miniatur-
Füchslein, Kätzchen, ihre Küchlein unter weichen Fittichen
bergende Hennen, auch humoristische Langohre und
hochnäsige Kamele, die, in Erzguß vervielfältigt, eine
stets erfreuliche Schreibtischzier bildeten; aber auch aus

Abb. 58 iText S. 2g)

Dcr Biichcrkramer

Phot. Hanfstacngl

angeschwemmtem Wurzelwerk das wunderlichste Haus-
gerüte von Lüstern, Leuchtern und Tafelzier zauberte,
seltsam geformte Steine, die sogenannten „Findlinge"
aus der Jsar als Briefbeschwerer bemalte und sein mühe-
selig zusammengehamstertes Vermögen edelsinnigst als
Kapitalstock zum Künstler- Unterstützungs- und Pensions-
Verein opferte. Zu gleichem Zwecke etablierte er bei
allen Künstlerfesten mit monatelangen Mühen aus
kleinen freiwilligen Beiträgen von Stichen, Skizzen,
Handzeichnungcn, Bildern usw. die vielbeliebten „Ver-
losungen", den vollen Ertrag uneigennützig diesem Zwecke
stiftend. Vgl. Maillinger-Sammlung 1868. II, 3587—3626.
„Allgemeine Deutsche Biographie" 1879. X, 266. Fr.
von Bötticher: „Malerwerke" 1891 1,441. „Bayerland"
Nr. 30 vom 26. April 1913 (mit Porträt, zu Haben-
schadens Centenar-Gedächtnis).

^) Friedrich Lentner, oer Maler und Dichter
 
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