6
leihen die niedergeschlagenen Augen einen
Reiz von zarter Milde. Allein die schwe-
ren, dichtcn Falten der Kleidung und die
großen Hünde sind unzweifelhaft nach der
Natur kopiert. Das steife Kind blickt halb
neugierig, halb verwundert nach dem vor-
dcrsten Könige. Nechts ist der hl. Joseph
sichtbar. Mit seinen derben Backenknochen
bildet auch der Nährvater der hl. Familie
eine wenig anziehende Erscheinung. An
Porträtköpfe erinnern auch die Könige.
Der vordere in groß drapiertem Mantel,
mit glatt rasiertem Gesicht, steht im Be-
griffe, sein Gefäß zu öffnen, während der
bärtige Greis sein Geschenk sest in den
Händen hält. Der Mohr mit seinem Diener
schließt im Hintergrunde die Gruppe ab.
Am Horizonte dämmern die ersten Strah-
len des frühen Morgens. Voll beleuchtet
ist nur die Madonna mit ihrem Kinde,
während die übrigen Figuren nur einzelne
Lichtstrahlen treffen. Da das Bild die
Jahrzahl 1619 trägt, ist es für den scharfen
Nealismus des zwanzigjährigen Künst-
lers bezeichnend.
Es scheint, daß ihn die bisherigen Re-
sultate auf dem Gebiete der religiösen
Kunst selbst nicht befriedigten; denn in
seiner Anbetung der Hirten (Abb. 6) trat
er dem Volksempfinden, das die hl. Per-
sonen idealisiert dargestellt wünscht, näher.
Mit etwas ängstlichen Blicken zeigt die
Mutter, die niedergekniet ist, ihr Kind.
Sie hat dasselbe eben enthüllt und hebt
es sanst empor. Mit klugen Äuglein blickt
es auf die ihm fremde, ungewohnte 11m-
gebung. Joseph, auf seinen Stab sich
stützend, blickt verwundert nieder auf die
liebliche Gruppe. Jm Hirtenvolke aber
sühlt sich Velazquez wieder in seinem Ele-
mente realistischer, heiterer Schilderung.
Jm Vordergrunde liegen neben dem Stroh-
bündel zwei Lämmchen, das eine mit ge-
knebelten Beinen auf dem Rücken. Der
junge Hirte hält mit der Linken den Brot-
korb, während die Rechte ein Huhn dar-
bielet. Schelmisch läßt sein nur wenig
sichtbarer Nachbar die Hirtenpfeife ertönen.
Voll Aufmerksamkeit ist der ins Knie ge-
sunkene Mann, der die Hände gefaltet
hat. Aber ihm beugt sich die Alte vor,
um sich in den Anblick des Kindes tief versenken
zu können. Die Magd mit den Tauben in ihrem
Korbe schleppt eine drückende Last herbei. Jm
Hintergrunde schwebt aus dunkelm Gewölk die
Lichlgestalt eines Engels hernieder mit der ju-
belnden Freudenkunde an den Hirten vor der
Hütte, den seine weidende Herde umgibt.
Die Absicht, ein religiös erbauendes Werk zu
schaffen, ist unverkennbar. Zart hebt sich die
Gestalt der jungfräulichen Mutter vom kalten
Marmor des Säulenhintergrundes ab. Weich mo-
(Text S. 7) Philipp IV., König von Spanicn Phot. Bruclmann
(Madrid, Prado)
delliert sind ihre Hände, im Gegensatz zu den
knochigen Männerfäusten, den welken Händen der
alten Frau. Die Hauptlichtquelle fällt auf das
Kind, streift jedoch allenthalben die übrigen Fi-
guren und hebt die Lämmer kräftig hervor, wodurch
der Opfertod des Erlösers bereits leise angedeutet
wird. Der Hintergrund vertieft sich in die leuch-
tende Nachtlandschaft. Auch in der Komposition
zeigt sich in der hübschen Gruppierung die zarte
Sorgfalt und das ernste Studium des Künstlers.
Die künftigen Lebenswege führten den Meister
leihen die niedergeschlagenen Augen einen
Reiz von zarter Milde. Allein die schwe-
ren, dichtcn Falten der Kleidung und die
großen Hünde sind unzweifelhaft nach der
Natur kopiert. Das steife Kind blickt halb
neugierig, halb verwundert nach dem vor-
dcrsten Könige. Nechts ist der hl. Joseph
sichtbar. Mit seinen derben Backenknochen
bildet auch der Nährvater der hl. Familie
eine wenig anziehende Erscheinung. An
Porträtköpfe erinnern auch die Könige.
Der vordere in groß drapiertem Mantel,
mit glatt rasiertem Gesicht, steht im Be-
griffe, sein Gefäß zu öffnen, während der
bärtige Greis sein Geschenk sest in den
Händen hält. Der Mohr mit seinem Diener
schließt im Hintergrunde die Gruppe ab.
Am Horizonte dämmern die ersten Strah-
len des frühen Morgens. Voll beleuchtet
ist nur die Madonna mit ihrem Kinde,
während die übrigen Figuren nur einzelne
Lichtstrahlen treffen. Da das Bild die
Jahrzahl 1619 trägt, ist es für den scharfen
Nealismus des zwanzigjährigen Künst-
lers bezeichnend.
Es scheint, daß ihn die bisherigen Re-
sultate auf dem Gebiete der religiösen
Kunst selbst nicht befriedigten; denn in
seiner Anbetung der Hirten (Abb. 6) trat
er dem Volksempfinden, das die hl. Per-
sonen idealisiert dargestellt wünscht, näher.
Mit etwas ängstlichen Blicken zeigt die
Mutter, die niedergekniet ist, ihr Kind.
Sie hat dasselbe eben enthüllt und hebt
es sanst empor. Mit klugen Äuglein blickt
es auf die ihm fremde, ungewohnte 11m-
gebung. Joseph, auf seinen Stab sich
stützend, blickt verwundert nieder auf die
liebliche Gruppe. Jm Hirtenvolke aber
sühlt sich Velazquez wieder in seinem Ele-
mente realistischer, heiterer Schilderung.
Jm Vordergrunde liegen neben dem Stroh-
bündel zwei Lämmchen, das eine mit ge-
knebelten Beinen auf dem Rücken. Der
junge Hirte hält mit der Linken den Brot-
korb, während die Rechte ein Huhn dar-
bielet. Schelmisch läßt sein nur wenig
sichtbarer Nachbar die Hirtenpfeife ertönen.
Voll Aufmerksamkeit ist der ins Knie ge-
sunkene Mann, der die Hände gefaltet
hat. Aber ihm beugt sich die Alte vor,
um sich in den Anblick des Kindes tief versenken
zu können. Die Magd mit den Tauben in ihrem
Korbe schleppt eine drückende Last herbei. Jm
Hintergrunde schwebt aus dunkelm Gewölk die
Lichlgestalt eines Engels hernieder mit der ju-
belnden Freudenkunde an den Hirten vor der
Hütte, den seine weidende Herde umgibt.
Die Absicht, ein religiös erbauendes Werk zu
schaffen, ist unverkennbar. Zart hebt sich die
Gestalt der jungfräulichen Mutter vom kalten
Marmor des Säulenhintergrundes ab. Weich mo-
(Text S. 7) Philipp IV., König von Spanicn Phot. Bruclmann
(Madrid, Prado)
delliert sind ihre Hände, im Gegensatz zu den
knochigen Männerfäusten, den welken Händen der
alten Frau. Die Hauptlichtquelle fällt auf das
Kind, streift jedoch allenthalben die übrigen Fi-
guren und hebt die Lämmer kräftig hervor, wodurch
der Opfertod des Erlösers bereits leise angedeutet
wird. Der Hintergrund vertieft sich in die leuch-
tende Nachtlandschaft. Auch in der Komposition
zeigt sich in der hübschen Gruppierung die zarte
Sorgfalt und das ernste Studium des Künstlers.
Die künftigen Lebenswege führten den Meister