Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst dem Volke <München> — 1916 (Nr. 25-28)

DOI Heft:
Fäh, Adolf: Velasquez
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.21067#0106
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
19

Abb. 2K (Text S. 7) Phot. Bruclmann

Brustbtld PhilippS IV. (Madrid, Pradoi

kannt. Christus an der Geißelsäule (Abb. 16)
zeigt den Heiland hingesunken, nur die Arme
sind noch straff angezogen durch den die
Hände umschlingenden Strick, der das Hin-
sinken des Körpers verhindert. Die Jnstru-
mente der Geißelung liegen auf dem Boden
umher. Der prachtvoll bewegte Körper zeigt
nur am Rücken blutige Strähnen. Das licht-
umflossene Dulderhaupt sucht sich nach dem
Knaben umzuwenden, der voll tiefer Er-
griffenheit niedergekniet ist. Die gefalteten
Hände und der schmerzvolle Ausdruck des
blonden Köpfchens zeigen tiefstes Mitleid,
welches ein vom Herzen zum Ohre des Hei-
landes eilender Strahl zu verstärken scheint.
Der Schutzengel macht mit hinweisender Be-
wegung auf den Heiland aufmerksam. Künst-
lerische Mittel und religiöse Ergriffenheit
einigen sich auch hier. Die müchtige Gestalt des
Heilandes, an der Licht und zarte Schatten ihr
Wellenspiel entfalten, kennzeichnet eine jener
Passionsfiguren, denen die betrachtende Seele
sich nähert. Diese ist hier in einemKnaben mit
weißem Röcklein und seinem porträtartig auf-
gefaßten Engel so sinnig symbolisiert, daß man
an einen historischen Vorgang denken möchte.

VIII. Weibliche Vildnisse. Das ei-

gentliche Feld der Wirksamkeit des Velazquez

senkt, die rechte Seite verhüllt das auf die
Brust fallende Haupthaar. Jm gelblichen
Karnat sind die Schatten nur leise ange-
deutet, wirken aber ernst im Antlitze des
Gekreuzigten. Der vorzüglich modellierte
Körper fügte sich nun allen Wünschen,
die Pacheco für die Darstellung des Ge-
kreuzigten bestimmt hatte. Der „durch eineu
Zufall aus dem unbekannten, unbewußten
Dunkel der schaffenden Phantasie in deu
Pinsel geflossene dämonische Zug des Bil-
des" sollte dem Beschauer in der teilweisen
Verhüllung des Angesichtes entgegentreten.
Die vier NLgel, die Form des Kreuzes
und dessen Jnschrift entsprechen genau den
genannten Vorschriften, wobei wir in der
einladenden Rechten und dem abweisen-
den Gestus der linken Hand den künftigen
Richter erkennen. Die Wirkung dieser
Schöpfung ist eine tief erschütternde. Jn
ihr hat die begeisterte Sühne für eine, die
Stadt mächtig aufregende Blasphemie
dauernde Gestalt angenommen. Bis 1808
blieb dieses Meisterwerk, spärlich beleuchtet,
im Kloster S.Placido, für welches es wahr-
scheinlich bestellt worden war, aufbewahrt.

Das zweite religiöse Gemälde tauchte
erst im 19. Jahrhundert in England auf.
Bis 1857 vollständig unbekannt, wurde es
sofort allgemein als Originalwerk aner-

Abb. 27 (Text S. 23) Kardinal Borja Phot. BruÄmann

(Franksurl, Siädelsches Jnstilut)

3'
 
Annotationen