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Die Kunst dem Volke <München> — 1916 (Nr. 25-28)

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Kosch, Wilhelm: Ferdinand Georg Waldmüller
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https://doi.org/10.11588/diglit.21067#0146
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Abb. 28 (Text S. 25)!

mit seinen drei reizenden Sprößlingen aus einem
hölzernen Fensterrahmen herausgucken läßt, ent-
Zückte vor allem durch die täuschende Nachbildung
der zusammengefügten Bretter und Latten, der
Angeln und eines stecken gebliebenen, einen leichten
Schatten wersenden Nagels, mehr noch als durch
die Feinheit der Komposition, die wirkungsvolle
Abtönung aller Lichter von hell bis dunkel, die
herzerfreuende Frische der Figuren.

Die moderne Kunstgeschichte bedauert, daß
Waldmüller verhältnismäßig so wenig die bloße
Landschaft gepflegt hat. Sein offener Blick für
malerische Naturschönheit, seine große Meister-
schaft in der Wiedergabe des einzelnen hätte ihn
dazu besonders befähigt. Allein wir dürfen nicht
vergessen, daß dem Publikum am liebsten Por-
träts (das eigene Jch!), dann Stilleben und
Genrebilder zur Ausschmückung der Speisezimmer,
weniger jedoch reine Landschaftsbilder zusagten.
Die Gründe liegen also auf der Hand, warum
Waldmüller, selbst eigene Neigungen überwindend,
in der freien Natur mit seiner Staffelei nicht
allzuhäusig auftrat.

Wenn aber der Abend kam, des Tages Arbeit
vollbracht war, dann nahm Waldmüller Pinsel
und Palette und zog hinaus in den Prater oder
noch weiter in den nahen Wiener Wald und
zeichnete oder malte, solang der Sonne letzter
Strahl es ihm erlaubte, nicht fürs liebe Publikum,

Phot. Bruckman»

sondern für sich selber, zu seiner persönlichen Er-
holung und Zerstreuung.

So entstauden die wundervollen duftig zarten
und doch wieder kräftigsicheren Studien „Prater-
landschaft" (Abb. 15) und „Silberpappeln in der
Praterau" (Abb.16). Aber auch aus der weiteren
Ilmgebung der schönen Vaterstadt schöpfte Wald-
müller von der Höhensonne seiner Kunst erhellte
Landschaftsbilder. Eichendorffschen Stimmungs-
zauber verspüren wir beim Anblick der trauten
„Mühle im Walde" (Abb. 21). Die altberühmte
„Veste Liechtenstein bei Mödling" (Abb. 18), das
Stammhaus der Fürsten von Liechtenstein, malte
er einigemale.

Jn den Alpen fesselte vor allem die Gegend
zwischen Dachstein und Jschl des Meisters Auf-
merksamkeit. An den Gemälden „Die Hütteneckalm
bei Jschl" (Abb. 17) und „Blick auf Jschl"
(Abb. 19) bemerken wir eine Reihe figürlicher
Darstellungen, woraus neuerdings hervorgeht,
wie sehr Waldmüller an der Wechselwirkung
zwischen lebloser und belebter Natur selbst im
Angesicht der majestätischen Alpenwelt festgehalten
hat, die einem andern Landschaftsmaler an sich
genügen würde. Er aber brauchte Menschen, im-
mer wieder Menschen, immer und überall. Seine
seelenvolle Kunstanschauung griff nach jedem
Mittel, um nicht bloß zu den Augen, sondern
auch zu den Herzen der Mit- und Nachwelt zu

Kinder, zum Fronleichnamsfest geschmückt

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