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Die Kunst dem Volke <München> — 1916 (Nr. 25-28)

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Kosch, Wilhelm: Ferdinand Georg Waldmüller
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https://doi.org/10.11588/diglit.21067#0152
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Abb. 35 (Texl S. 28) Eine milde Gabe

„Das Blumenmädchen", ein an-
deres Bild, scheint von den Sorge»
des Alltags noch keine zu kennen.
Ein lieblicher Lenz mit allen seinen
Verheißungen umgibt die freund-
liche Verkäuferin, von deren Stirn
wir den Abglanz eines bescheiden
glücklichen Daseins lesen können.

Das gleiche still friedliche Be-
hageu atmet „Das Ende der Schul-
stunde" (Abb. 26), von Waldmüller
selbst ursprünglich „Dorfjugend beim
Austritt aus der Schule" betitelt.
Aus dem dunklen Torgang der
ländlichen Schule drängt sich ein
dichter Kinderhaufen lachend und
lärmend ins grelle Mittagslicht.
Mahnend mit erhobenem Zeigefin-
ger steht der Lehrer zur Seite. Be-
sonders fesselt eine Nebenpartie des
Bildes: ein kleines Mädchen einen
weinenden Knaben tröstend, wohl
ihren Bruder, der in der Schule
Mißgeschick gehabt hat; dahinter
ein Greis, unter einem blühenden
Strauch gebückt. Ein wirkungsvol-
lerer Gegensatz läßt sich kaum denken.

Sonnenschein, strahlendster gol-
dener Sommersonnenschein blinkt
uns entgegen aus dem farbenpräch-
tigen Gemälde „Kinder, zum Fron-
leichnamsfest geschmückt" (Abb. 28).

Da lacht einem zunächst im „Morgen-
gruß" (Abb. 22) ein Säugling aus der
Wiege entgegen, den die glückliche Mutter
herzt und küßt. Dieses Gemälde leitet
Zu dem figurenreicheren „Mutterglück"
(Abb. 23) über. Hier spielen mit dem
Jüngsten, der auf dem Schoß der Mutter
in einem großen Lehnstuhl ruht, ein drol-
liges Geschwisterpaar. Lachend und scher-
Zend halten Brüderlein und Schwesterlein
dem Kleinsteu je eiue Blume hin. Wie
kärglich sieht die Einrichtung des Stüb-
chens aus und doch wie selig erscheinen
seine Bewohner!

Ein ernstes, trauriges Seitenstück da-
zu bildet der „Bettelknabe". Jm Hin-
tergrund erblicken wir die schneebedeckten
Häuser einer Großstadt. Jn einem Winkel
hockt zusammengekauert ein armes Weib
mit einem Kindlein. Daneben steht bit-
tend ein halbwüchsiger Knabe, ein bild-
schöner Bursche, aber in zerrissenen Klei-
dern, die Augen, aus denen Jammer und
Not, Sehusucht und Verlangen spricht,
gegen den Beschauer gerichtet. Wer könnte
diesem ergreifenden Anblick sein Herz
verschließen?

Abb. 36 (Tcxt S. 3V) Der Abschicd der Patin Phot. Bruckmann

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