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Abb. S3 (Texl S. 18) Kindcr in einem Fenster
rügte er, daß man Geist und Natur auf der
Akademie damals so sehr hintanlegte. Hatte er
vielleicht unrecht, indem er sagte: „Qberall ist es
der Geist, welcher aufgefaßt werden soll und
überall ist es nur die Form, der man nach-
strebt. . . Wer die Natur gehörig anzuschauen
und zu begreifen gelernt hat, wird ihren Aus-
druck auch im historischen Bilde zweckmäßig geben
können, denn ihre Wahrheit ist unveränderlich
dieselbe. Und doch ging ihre Verirrung so weit,
daß wir nahe daran waren, das Anschauen der
Natur nicht nur nicht empfohlen, sondern gerade-
zu verpönt zu sehen." Für Waldmüller bildete
die Natur die einzige Quelle und Summe des
Maler-Studiums, in ihr fand er allein jene Wahr-
heit und Schönheit, deren Ausdruck in jedem
Zweig der bildenden Kunst das höchste Ziel des
Künstlers sein müsse. Diese Erkenntnis in dem
Schüler zu wecken, ihn zu der Befähigung, die-
selbe kunstgemäß zu benutzen, auf dem kürzesten,
einfachsten, durch keinerlei Zwischenmittel beeng-
ten Wege zu leiten, dies allein könne das Ziel
des Unterrichts sein.
Waldmüller beklagte ausdrücklich, daß man
auf der Akademie sich von der Natur, der laute-
ren Quelle der Wahrheit und Erkenntnis entfernt
habe, und erklärt, daß es vor allem
nottue, zu ihr zurückzukehren. Die
langjährige Dauer des akademischen
Kunstunterrichts hielt er, und hierin
ging er wohl zu weit, für das größte
Gebrechen derselben. Das von ihm
in der eigenen Meisterschule ange-
nommene Verfahren genüge in
einem Jahr vollkommen, den Schü-
ler zum korrekten Zeichner und
Maler auszubilden, worauf sich die
echte Begabung selbständig weiter-
entwickeln möge. Der Kunstunter-
richt könne ja doch keinen anderen
Zweck haben als jenen, vorhandene
Talente zur Blüte und Reife zu
bringen und somit das Kunstleben
zu bereichern. Die beste Lehrart sei
zweifellos die, nach der sich die
größten Meister der Vergangenheit
herangebildet haben. — Es wäre
reizvoll, diese Gedanken etwa mit
denen, die fast gleichzeitig Stifter
in seinen Kunstaufsätzen ausge-
sprochen hat, zu vergleichen.
DieAusführungenWaldmüllers
erregt
sition
verhielten sich jedoch zunächst ruhig
und ließen lediglich einen jungen
Kunsthistoriker, der auf ihrer Seite
stand, in einer besonderen Slreit-
schrift mit dem großen Gegner die
Klinge kreuzen. Jm übrigen stand
der angefeindete Meister immer noch
fest. Die Gunst des Staatskanzlers
Metternich und anderer Potentaten gewährten
ihm ausreichenden Schutz.
Sogar das Jahr 1848 änderte in dieser Hin-
sicht nicht viel. Der neue Minister für Kultus
und Unterricht Leo Thun und der Justizminister
Schmerling schenkten Waldmüller ihre volle Sym-
pathie. Unser Meister hoffte jetzt noch mehr als
früher auf eine glückliche Verwirklichung seiner
Pläne, die sowohl in der Reform des akademischen
Unterrichts wie in der Begründung eines groß-
zügigen Ofterrreichischen Kunstvereins gipfelten.
Aber die Partei der Gegner wurde trotz alledem
immer stärker und seine Zuversicht schwand all-
mählich dahin, als er merkte, daß auch dieMinister,
denen er im Herzen so laut zugejubelt hatte, nichts
für ihn und seine Sache taten. So griff er denn
1858 nochmals zur Feder, um „Andeutungen zur
Belebung der vaterländischen bildenden Kunst" der
Offentlichkeit zu übergeben.
Aus mehr als einer Stelle dieser Streitschrift,
die mitunter weit übers Ziel hinaus schoß, so
wenn sie das beliebte Kopieren alter Meisterwerke
verdammte, spricht seine gereizte Stimmung, ja
sast Hoffnungslosigkeit, daß sich an den gerügten
Zuständen etwas bessern würde. Und dennoch,
er mußte seinem Herzen Luft machen. Seine
n begLeiflicherweise dieOppo-
seiner° Amtsgenossen. Diese
Abb. S3 (Texl S. 18) Kindcr in einem Fenster
rügte er, daß man Geist und Natur auf der
Akademie damals so sehr hintanlegte. Hatte er
vielleicht unrecht, indem er sagte: „Qberall ist es
der Geist, welcher aufgefaßt werden soll und
überall ist es nur die Form, der man nach-
strebt. . . Wer die Natur gehörig anzuschauen
und zu begreifen gelernt hat, wird ihren Aus-
druck auch im historischen Bilde zweckmäßig geben
können, denn ihre Wahrheit ist unveränderlich
dieselbe. Und doch ging ihre Verirrung so weit,
daß wir nahe daran waren, das Anschauen der
Natur nicht nur nicht empfohlen, sondern gerade-
zu verpönt zu sehen." Für Waldmüller bildete
die Natur die einzige Quelle und Summe des
Maler-Studiums, in ihr fand er allein jene Wahr-
heit und Schönheit, deren Ausdruck in jedem
Zweig der bildenden Kunst das höchste Ziel des
Künstlers sein müsse. Diese Erkenntnis in dem
Schüler zu wecken, ihn zu der Befähigung, die-
selbe kunstgemäß zu benutzen, auf dem kürzesten,
einfachsten, durch keinerlei Zwischenmittel beeng-
ten Wege zu leiten, dies allein könne das Ziel
des Unterrichts sein.
Waldmüller beklagte ausdrücklich, daß man
auf der Akademie sich von der Natur, der laute-
ren Quelle der Wahrheit und Erkenntnis entfernt
habe, und erklärt, daß es vor allem
nottue, zu ihr zurückzukehren. Die
langjährige Dauer des akademischen
Kunstunterrichts hielt er, und hierin
ging er wohl zu weit, für das größte
Gebrechen derselben. Das von ihm
in der eigenen Meisterschule ange-
nommene Verfahren genüge in
einem Jahr vollkommen, den Schü-
ler zum korrekten Zeichner und
Maler auszubilden, worauf sich die
echte Begabung selbständig weiter-
entwickeln möge. Der Kunstunter-
richt könne ja doch keinen anderen
Zweck haben als jenen, vorhandene
Talente zur Blüte und Reife zu
bringen und somit das Kunstleben
zu bereichern. Die beste Lehrart sei
zweifellos die, nach der sich die
größten Meister der Vergangenheit
herangebildet haben. — Es wäre
reizvoll, diese Gedanken etwa mit
denen, die fast gleichzeitig Stifter
in seinen Kunstaufsätzen ausge-
sprochen hat, zu vergleichen.
DieAusführungenWaldmüllers
erregt
sition
verhielten sich jedoch zunächst ruhig
und ließen lediglich einen jungen
Kunsthistoriker, der auf ihrer Seite
stand, in einer besonderen Slreit-
schrift mit dem großen Gegner die
Klinge kreuzen. Jm übrigen stand
der angefeindete Meister immer noch
fest. Die Gunst des Staatskanzlers
Metternich und anderer Potentaten gewährten
ihm ausreichenden Schutz.
Sogar das Jahr 1848 änderte in dieser Hin-
sicht nicht viel. Der neue Minister für Kultus
und Unterricht Leo Thun und der Justizminister
Schmerling schenkten Waldmüller ihre volle Sym-
pathie. Unser Meister hoffte jetzt noch mehr als
früher auf eine glückliche Verwirklichung seiner
Pläne, die sowohl in der Reform des akademischen
Unterrichts wie in der Begründung eines groß-
zügigen Ofterrreichischen Kunstvereins gipfelten.
Aber die Partei der Gegner wurde trotz alledem
immer stärker und seine Zuversicht schwand all-
mählich dahin, als er merkte, daß auch dieMinister,
denen er im Herzen so laut zugejubelt hatte, nichts
für ihn und seine Sache taten. So griff er denn
1858 nochmals zur Feder, um „Andeutungen zur
Belebung der vaterländischen bildenden Kunst" der
Offentlichkeit zu übergeben.
Aus mehr als einer Stelle dieser Streitschrift,
die mitunter weit übers Ziel hinaus schoß, so
wenn sie das beliebte Kopieren alter Meisterwerke
verdammte, spricht seine gereizte Stimmung, ja
sast Hoffnungslosigkeit, daß sich an den gerügten
Zuständen etwas bessern würde. Und dennoch,
er mußte seinem Herzen Luft machen. Seine
n begLeiflicherweise dieOppo-
seiner° Amtsgenossen. Diese