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Abb. 54 (Text S. 20) Jnneres von S1. Markus in Venedig
Überzeugung duldete kein weiteres Slillschweigen.
Sein Grundsatz war und blieb: Nur heraus mit
der Sprache, komme, was kommen mag! Nück-
sichtslos rief er seinen Widersachern das Wahr-
wort zu: „Wer zur Kligue gehört, dem wird ge-
lobhudelt, seine Leistungen seien auch noch so
unbedeutend. Die Mißliebigen werden, wie der
kritische Kraftausdruck lautet, heruntergerissen ..."
Waldmüller erfuhr jetzt noch Schlimmeres.
Mit einer ösfentlichen Kritik seiner Ausführungen
begnügte sich die Schar seiner Gegner nicht mehr.
Auch die Regierung ließ ihn fallen. Und so
bekam der Meister eines Tags die Nachricht, daß
ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet sei.
Er mußte am Ende froh sein, daß man ihm bei
der nun folgenden Pensionierung wenigstens die
Hälfte seines bisherigen Einkommens, also 400
Gulden, als Ruhegehalt „imGnadenwege" anwies.
Waldmüller schien gebrochen. Einen solchen
Schlag hatte er nicht erwartet. Eine weiche,
fast weinerliche Gemütsstimmung befiel den sonst
so tapferen, nackensteifen, aufrechtstehenden Mann.
Selbst seine Privatschüler wollte er entlassen.
Und fast begann er auch an dem eigenen Lebens-
werk zu zweifeln. Doch seine gesunde, selbstbe-
wußte Natur war auf die Dauer nicht zurück-
zudrängen. Er raffte sich neuerdings zusammen
und hielt aus. Seine persönliche Zuversicht sollte
nicht enttäuscht werden.
l861 verlieh der König von Preußen
dem verkannten Künstler den Roten Adler-
orden. Und nun sah sich plötzlich auch das
engere Vaterland, ein wenig beschämt, ver-
anlaßt, an eine öffentliche Ehrung Wald-
müllers zu denken. Auf Antrag des Mi-
nisteriums Schmerling bekam der ftraf-
weise pensionierte Professor „in Anerken-
nung der Mitwirkung zu den Erfolgen der
internationalen Ausstellung in London
1862" das Ritterkreuz des Franz-Josephs-
Ordens. 1864 wurde sein Ruhegehalt ver-
doppelt und damit ein früheres Unrecht gut-
gemacht. Waldmüllers Ehre war nun voll-
ständig, und zwar offiziell wieder herge-
stellt. Aber er mochte mit Grillparzer sagen:
„Zu spät." Denn bereits im folgenden
Jahr, am 23. August 1865, ereilte ihn
mitten in der Arbeit daheim im Atelier
der rasche Schnitter Tod.
Von der Persönlichkeit des Meisters
sind eine Reihe sympathischer Züge der
Nachwelt übermittelt. Er lebte sehr ein-
fach und bescheiden. Gast- und Kaffee-
häuser gewährten ihm keine Zerstreuung.
Diese suchte und fand er vielmehr einzig
in seiner Arbeit. Auf sein Außeres hielt
er allerdings viel. Er kleidete sich, darin
ein Fortsetzer der Renaissance-Tradition,
mit äußerster Eleganz und ließ niemals
merken, daß er eigentlich kein Grandseig-
neur, sondern bloß ein „armer Schlucker"
war. Besonders auf Reisen ließ er sich
nichts abgehen. Selbstbewußtsein, Tatkraft und
Wahrheitsliebe zeichneten ihn in hohem Grade aus.
Dabei besaß er die liebenswürdigsten Umgangs-
formen. Wer mit ihm zu verkehren Gelegenheit
hatte, wurde, sofern er nicht zu den überzeugten
Gegnern gehörte, sofort von ihm gefesfelt. Jm
Zeitalter Franz I., der selbst nur Dialekt sprach,
bildete es sogar in der feinen Gesellschast nichts
Auffallendes, sich der Wiener Mundart zu be-
dienen. Waldmüller behielt diese Gewohnheit
seiner Jugendzeit bei und wenn ihm jemand des-
halb Vorhaltungen machte, so erwiderte er nur
kurz und bündig: „I bin a Weaner und drum
red i Weanerisch". Besuche machte und emp-
fing er selten. Nur einmal in der Woche ver-
sammelten sich Freunde und Bekannte in seinem
Heim. Dann sprach er aber fast ausschließlich
von rein künstlerischen Dingen, leise, lispelnd,
allein dem nächsten Nachbar verständlich. Geriet
er jedoch auf eine Streitfrage, dann konnte er
sehr ungestüm, heftig und laut werden. Nicht
selten packte er im Eifer des Gesprächs sein
Gegenüber am Rockknopf und drehte diesen ab.
Jn solchen Augenblicken war der sonst so zart
empfindende und sprechende Künstler kaum wieder
zu erkennen. Da kam der große Polemiker in
ihm zum Vorschein. Der Maler und Mensch
traten zur Seite, der Kämpfer führte das Wort.
So reich Waldmüllers künstlerisches Erbe war,
Abb. 54 (Text S. 20) Jnneres von S1. Markus in Venedig
Überzeugung duldete kein weiteres Slillschweigen.
Sein Grundsatz war und blieb: Nur heraus mit
der Sprache, komme, was kommen mag! Nück-
sichtslos rief er seinen Widersachern das Wahr-
wort zu: „Wer zur Kligue gehört, dem wird ge-
lobhudelt, seine Leistungen seien auch noch so
unbedeutend. Die Mißliebigen werden, wie der
kritische Kraftausdruck lautet, heruntergerissen ..."
Waldmüller erfuhr jetzt noch Schlimmeres.
Mit einer ösfentlichen Kritik seiner Ausführungen
begnügte sich die Schar seiner Gegner nicht mehr.
Auch die Regierung ließ ihn fallen. Und so
bekam der Meister eines Tags die Nachricht, daß
ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet sei.
Er mußte am Ende froh sein, daß man ihm bei
der nun folgenden Pensionierung wenigstens die
Hälfte seines bisherigen Einkommens, also 400
Gulden, als Ruhegehalt „imGnadenwege" anwies.
Waldmüller schien gebrochen. Einen solchen
Schlag hatte er nicht erwartet. Eine weiche,
fast weinerliche Gemütsstimmung befiel den sonst
so tapferen, nackensteifen, aufrechtstehenden Mann.
Selbst seine Privatschüler wollte er entlassen.
Und fast begann er auch an dem eigenen Lebens-
werk zu zweifeln. Doch seine gesunde, selbstbe-
wußte Natur war auf die Dauer nicht zurück-
zudrängen. Er raffte sich neuerdings zusammen
und hielt aus. Seine persönliche Zuversicht sollte
nicht enttäuscht werden.
l861 verlieh der König von Preußen
dem verkannten Künstler den Roten Adler-
orden. Und nun sah sich plötzlich auch das
engere Vaterland, ein wenig beschämt, ver-
anlaßt, an eine öffentliche Ehrung Wald-
müllers zu denken. Auf Antrag des Mi-
nisteriums Schmerling bekam der ftraf-
weise pensionierte Professor „in Anerken-
nung der Mitwirkung zu den Erfolgen der
internationalen Ausstellung in London
1862" das Ritterkreuz des Franz-Josephs-
Ordens. 1864 wurde sein Ruhegehalt ver-
doppelt und damit ein früheres Unrecht gut-
gemacht. Waldmüllers Ehre war nun voll-
ständig, und zwar offiziell wieder herge-
stellt. Aber er mochte mit Grillparzer sagen:
„Zu spät." Denn bereits im folgenden
Jahr, am 23. August 1865, ereilte ihn
mitten in der Arbeit daheim im Atelier
der rasche Schnitter Tod.
Von der Persönlichkeit des Meisters
sind eine Reihe sympathischer Züge der
Nachwelt übermittelt. Er lebte sehr ein-
fach und bescheiden. Gast- und Kaffee-
häuser gewährten ihm keine Zerstreuung.
Diese suchte und fand er vielmehr einzig
in seiner Arbeit. Auf sein Außeres hielt
er allerdings viel. Er kleidete sich, darin
ein Fortsetzer der Renaissance-Tradition,
mit äußerster Eleganz und ließ niemals
merken, daß er eigentlich kein Grandseig-
neur, sondern bloß ein „armer Schlucker"
war. Besonders auf Reisen ließ er sich
nichts abgehen. Selbstbewußtsein, Tatkraft und
Wahrheitsliebe zeichneten ihn in hohem Grade aus.
Dabei besaß er die liebenswürdigsten Umgangs-
formen. Wer mit ihm zu verkehren Gelegenheit
hatte, wurde, sofern er nicht zu den überzeugten
Gegnern gehörte, sofort von ihm gefesfelt. Jm
Zeitalter Franz I., der selbst nur Dialekt sprach,
bildete es sogar in der feinen Gesellschast nichts
Auffallendes, sich der Wiener Mundart zu be-
dienen. Waldmüller behielt diese Gewohnheit
seiner Jugendzeit bei und wenn ihm jemand des-
halb Vorhaltungen machte, so erwiderte er nur
kurz und bündig: „I bin a Weaner und drum
red i Weanerisch". Besuche machte und emp-
fing er selten. Nur einmal in der Woche ver-
sammelten sich Freunde und Bekannte in seinem
Heim. Dann sprach er aber fast ausschließlich
von rein künstlerischen Dingen, leise, lispelnd,
allein dem nächsten Nachbar verständlich. Geriet
er jedoch auf eine Streitfrage, dann konnte er
sehr ungestüm, heftig und laut werden. Nicht
selten packte er im Eifer des Gesprächs sein
Gegenüber am Rockknopf und drehte diesen ab.
Jn solchen Augenblicken war der sonst so zart
empfindende und sprechende Künstler kaum wieder
zu erkennen. Da kam der große Polemiker in
ihm zum Vorschein. Der Maler und Mensch
traten zur Seite, der Kämpfer führte das Wort.
So reich Waldmüllers künstlerisches Erbe war,