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Die Kunst dem Volke <München> — 1917 (Nr. 29-31)

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Doering, Oscar: Die Dome von Mainz und Worms
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https://doi.org/10.11588/diglit.21069#0038
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sür die Schnitter auf dem Felde
gekochte Speise überbringe (die Er-
zählung befindet fich in Daniel 14,

Z2ff.). Auf dem Körper des einen
der Löwen steht die Jnschrift: ^clslb
M6 6in — als Hinweis auf die
Erwerbung des Reliefs. Denn mir
fcheint, daß ohne Abkürzungen die
Worte heißen dürften: Ü,ci6lbralit
M6 sinit —^ Ad. hat mich gekauft,
woraus zu schließen wäre, daß der
schon erwähnte Münzmeister auch
diesesWerkzumSchmuckederHaupt-
kirche gestiftet, es aber anderswoher
erworben und in den WormserDom
übertragen habe.

Prachtvolle Mannigfaltigkeit
herrscht im Schmucke der Halbkreis-
flächen über den romanischen Türen.

Zwei von jenen zeigen reiche plasti-
sche Einrahmungen, während die
Mitten für malerischen Schmuck vor-
behalten blieben; von ihm ist leider
nichts mehr zu sehen. Die eine Ein-
rahmung ist älter als die andere
und ersichtlich nicht in einem Zuge,
sondern wahrscheinlich von zwei
verschiedenenBildhauerngearbeitet.

Der erste schuf das auf altgerma-
nischer Überlieferung beruhende
kunstvoll verschlungene Riemenwerk, ein späterer
führte die unfertig gebliebene Arbeit vollends
aus und bildete ein schönes Ranken- und Blatt-
ornament, ähnlich dem im Ostchore. Die andere
Tür (Abb. 78) zeigt ein überaus kunstvolles,
in herrlicher Linie geführtes Gerank von Akan-
thuslaub, das rechts und links von einer zwischen
Laubwerk seltsam stilisierten Maske an den Halb-
kreisbogen abwärts zieht. — Zwei andere Portal-
bekrönungen zeigen bildnerischen Figurenschmuck:
Auf dem einen (Abb. 77), das sich innerhalb der
südlichen Hauptpforte des Domes befindet, thront
der Heiland zwischen seiner Mutter und St. Petrus.
Die erstere, hinter der ein heiliger Bischof steht,
empfiehlt ihm einen mit demütiger Haltung ganz
in der Ecke knienden Bischof, vermutlich einen
um den Dombau besonders verdienten Mann
(Konrad von Sternberg?); St. Petrus scheint eben-
falls als Fürbitter aufzutreten, doch ist diese Seite
leider beschädigt; auch der ornamentale Rand
sehlt hier. — Eine in ihrer Kleinheit großzügige,
charaktervolle Arbeit ist endlich das Bogenfeld
über einer unscheinbaren Tür des südlichen Seiten-
schiffes (Abb.76). EsistmitderHalbfigurdeslehren-
den St. Nikolaus geschmückt, dem die durch drei Fi-
guren angedeutete Schar der Scholaren andächtig
lauscht. Diese spielen eine Rolle auch auf dem
romanischen Portalrelief der Nikolauskapelle. Jhr
Magister schiebt sie dem Heiligen zu, der ja ihr
Patron ist; zugleich ist der hl. Nikolaus auf jenem
Bilde aber auch als Beschützer der auf dem Meere
in Bedrängnis geratenen Schiffer dargestellt. Als

ihr Schutzheiliger steht er allenthalben in An-
sehen, und in unseren Seestädten sind ihm viele
der ausgezeichnetsten Kirchen gewidmet. — Nicht
von Anfang her dem Dome gehörig, sondern aus
dem Bergkloster vor der Stadt in ihn übertragen
ist das ums Jahr 1400 entstandene anmutige
Relief mit drei heiligen Prinzessinnen (Abb.79);
ihre Namen stehen am oberen und unteren Rande
des Werkes bezeichnet: S. Embede, S. Warbede
und S. Willebede; sie tragen Kronen auf den
Häuptern, Palmen und Bücher in den Händen.
Der Faltenfluß der Gewänder ist von großer
Schönheit. Über ihren Gestalten erhebt sich edel
gezeichnetes Maßwerk mit drei Kielbögen. Einst
war, wie Spuren zeigen, das Relies bemalt. Es
hat jetzt keinen bestimmten Platz, sondern lehnt
an der Wand des südlichen Seitenschiffes. —
Aus dem zugrunde gegangenen Kreuzgange
kamen in die Nikolauskapelle fünf höchstbemerkens-
werte Hochreliefs (Abb. 82), die von da neuerdings
in das nördliche Seitenschiff des Domes über-
gegangen sind. (Unsere Bilder stnd noch in der
Kapelle aufgenommen.) Die Werke stammen aus
den letzten Zeiten des 15. Jahrhunderts. Das
erste zeigt die Verkündigung der Geburt des
Heilandes (Abb. 84). Unter einem prächtig
gezeichneten „Eselsrücken"-Bogen befindet sich die
rechts und links von den Standbildern je dreier
Heiligen begrenzte Darstellung. Die mit recht
deutscher Jnnigkeit charakterisierten beiden Per-
sonen halten ihr Zwiegespräch im Zimmer Mariä,
dessen Einrichtung mit anschaulichem Realismus
 
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