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Abb. S (Text S. 22) Uiteil Salomos 1846 Phot. F- Bruckmann A.-G.
er liebenswürdige Meister, dem diese
Monographie gewidmet ist, schrieb
einmal an Frau Antonie Brentano:
„ ... Jch schließe nun .. . und bitte,
das Stein-le, das mir selber oft so
schwer zu ertragen wird, nicht ganz vom Herzen
fallen zu lassen; es ist ihm gar so wohltätig zu
wissen, daß es irgendwo in einem Herzen ein
kleines Gewicht hat". Eine feine Anspielung,
die der Meister hier auf seinen Namen macht,
bei dessen Klang jedes schwäbische Herz verwandt-
schaftliche Regungen spürt und unwillkürlich
herausfühlt: dieser Steiule ist gewiß einer von
uns. Jn der Tat konnte die Wiener Geburt das
schwäbische Blut, das Eduard von seinem Vater
Johannes, einem sehr geschickten Hof- und Kam-
mergraveur ausKempten, geerbt hatte, nicht durch
fremde Beimischung trüben. Die ganze Empfin-
dungswelt, die uns aus seinen herzerquickenden
Vriefen entgegentönt, zeigt schwäbisches Gemüt,
und die hohe Grazie seiner Kunst ist schließlich
nichts als eine späte Nachblüte, freilich eine vol-
lendet reife und prachtvolle des reichen Blumen-
segens, den die altschwäbische Malerschule mit
ihrer Gemütsinnigkeit über deutsche Lande aus-
gestreut hat. Jst doch auch der holdeste der Holden
unter den altdeutschen Meistern, Stephan Lochner,
aus Schwabeu nach Köln gewandert und hat
sein heimatliches Fühlen und den traulicheu
schwäbischen Dialekt mit seinen zierlichen Dimi-
uutivformen in der wundersamen Madonna im
Rosenhag ausklingen lassen. Wer erinnert sich
bei Steinles ,.lliortu8 ooiiolusus" (Abb. 15)
nicht an alte Vorbilder Lochners und Schon-
gauers?
Wien also kann die Ehre beanspruchen, Stein-
les Geburtsstadt zu sein; am 2. Juli 1810 er-
strahlte ihm dort zum erstenmale das Licht der
Welt, die er selbst dereinst durch seine Kunst durch-
leuchteu und durchwärmen sollte. Die künstleri-
schen Anlagen traten frühzeitig zutage. Aber nicht
die Muse der bildenden Kunst war vorerst seine
Begleiterin,sondern die derMusik. VaterJohannes
wollte um jeden Preis einen großen Musiker aus
seinem Sohne machen und verzichtete später nur
ungcrn auf seinen Herzenswunsch. Eduard hatte
sich ja auch wirklich ungewöhnliche Kenntnisse im
Klavierspiel und im Generalbaß erworben, und
obwohl schließlich die Farben über die Töne siegten,
bewahrte er doch der Musik zeitlebens eine treue
Liebe und erholte sich gerne unter ihren süßen
Klängen von anstrengender Arbeit. Jn seinem
„Violinspieler" (Abb. 52), den er wiederholt
malte, hat er seiner musikalischen Seele das schönste
Denkmal gesetzt. Das Bild zeigt uns deutlich,
nach welcher Richtung sich Steinle musikalisch ent-
wickelt hätte. Er wäre ein Träumer geworden wie
Chopin, nicht ein Stürmer wie Lsizt, ein tieses
aber ruhig ausgebreitetes Meer mit vielen unge-
sagten Geheimnissen, nicht diebrausende aufgeregte
See. Es verlohnt sich diesen Violinspieler Steinles
zu vergleichen etwa mit Jagerspachers gleichnami-
gemBild,ausdemwildeLeidenschaftundeinFeuer-
temperament loht, das den Körper schon halb aufge-
zehrt hat. Die Seele der Romantik und die moderne
Seele sind in diesen beiden Bildern symbolisiert.
Abb. S (Text S. 22) Uiteil Salomos 1846 Phot. F- Bruckmann A.-G.
er liebenswürdige Meister, dem diese
Monographie gewidmet ist, schrieb
einmal an Frau Antonie Brentano:
„ ... Jch schließe nun .. . und bitte,
das Stein-le, das mir selber oft so
schwer zu ertragen wird, nicht ganz vom Herzen
fallen zu lassen; es ist ihm gar so wohltätig zu
wissen, daß es irgendwo in einem Herzen ein
kleines Gewicht hat". Eine feine Anspielung,
die der Meister hier auf seinen Namen macht,
bei dessen Klang jedes schwäbische Herz verwandt-
schaftliche Regungen spürt und unwillkürlich
herausfühlt: dieser Steiule ist gewiß einer von
uns. Jn der Tat konnte die Wiener Geburt das
schwäbische Blut, das Eduard von seinem Vater
Johannes, einem sehr geschickten Hof- und Kam-
mergraveur ausKempten, geerbt hatte, nicht durch
fremde Beimischung trüben. Die ganze Empfin-
dungswelt, die uns aus seinen herzerquickenden
Vriefen entgegentönt, zeigt schwäbisches Gemüt,
und die hohe Grazie seiner Kunst ist schließlich
nichts als eine späte Nachblüte, freilich eine vol-
lendet reife und prachtvolle des reichen Blumen-
segens, den die altschwäbische Malerschule mit
ihrer Gemütsinnigkeit über deutsche Lande aus-
gestreut hat. Jst doch auch der holdeste der Holden
unter den altdeutschen Meistern, Stephan Lochner,
aus Schwabeu nach Köln gewandert und hat
sein heimatliches Fühlen und den traulicheu
schwäbischen Dialekt mit seinen zierlichen Dimi-
uutivformen in der wundersamen Madonna im
Rosenhag ausklingen lassen. Wer erinnert sich
bei Steinles ,.lliortu8 ooiiolusus" (Abb. 15)
nicht an alte Vorbilder Lochners und Schon-
gauers?
Wien also kann die Ehre beanspruchen, Stein-
les Geburtsstadt zu sein; am 2. Juli 1810 er-
strahlte ihm dort zum erstenmale das Licht der
Welt, die er selbst dereinst durch seine Kunst durch-
leuchteu und durchwärmen sollte. Die künstleri-
schen Anlagen traten frühzeitig zutage. Aber nicht
die Muse der bildenden Kunst war vorerst seine
Begleiterin,sondern die derMusik. VaterJohannes
wollte um jeden Preis einen großen Musiker aus
seinem Sohne machen und verzichtete später nur
ungcrn auf seinen Herzenswunsch. Eduard hatte
sich ja auch wirklich ungewöhnliche Kenntnisse im
Klavierspiel und im Generalbaß erworben, und
obwohl schließlich die Farben über die Töne siegten,
bewahrte er doch der Musik zeitlebens eine treue
Liebe und erholte sich gerne unter ihren süßen
Klängen von anstrengender Arbeit. Jn seinem
„Violinspieler" (Abb. 52), den er wiederholt
malte, hat er seiner musikalischen Seele das schönste
Denkmal gesetzt. Das Bild zeigt uns deutlich,
nach welcher Richtung sich Steinle musikalisch ent-
wickelt hätte. Er wäre ein Träumer geworden wie
Chopin, nicht ein Stürmer wie Lsizt, ein tieses
aber ruhig ausgebreitetes Meer mit vielen unge-
sagten Geheimnissen, nicht diebrausende aufgeregte
See. Es verlohnt sich diesen Violinspieler Steinles
zu vergleichen etwa mit Jagerspachers gleichnami-
gemBild,ausdemwildeLeidenschaftundeinFeuer-
temperament loht, das den Körper schon halb aufge-
zehrt hat. Die Seele der Romantik und die moderne
Seele sind in diesen beiden Bildern symbolisiert.