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Abb. 2L (Tcxt S. L2)
St. FranziLlus in Verzüclung 1855
Autot. Kösel
Die Kunst tvar ihm ein
lebendiges ^ Gewächs,
nicht ein Herbarium
mit getrockneten Blu-
men. FürgotischeKunst,
fürchte er, sei er Zu alt,
so schreibt er einmal,
und gewisse Dinge, die
bei den eifrigsten Be-
treibern gotischer Kunst
vor sich gingen, könne er
beim besten Willen nicht
verstehen. Auch dieüber-
große Weichheit Over-
becks und der Düssel-
dorfer war nicht nach
seinem Geschmack. Wie
richtig hat erdieSchwä-
chen Overbecks erkannt,
wenn er ihm „ein klein
wenig mehr männlichen
Ernst" und „etwas
mehr Körperlichkeit"
wünschte: „Overbeck
hätte die Natur nicht so
sehr scheuen dürfen. . .
Das Bild zieht den
Leuten die Seele aus
auch Schuld daran, daß er nicht in
dem Maße, wie wir es wünschen moch-
ten, seinem innersten Künstlerdrang zur
Lyrik nachgab und seinen Freunden, die
ihn nur als Heiligenmaler sehen wollten,
zu sehr folgte. Wie alle passiven Na-
turen litt auch Steinle oft an Melan-
cholie und starker Empfindsamkeit, die
er nach außen hin freilich meisterlich zu
beherrscheu wußte. Sein Vater hatte
ihn in dieser Beziehung sehr gut gekannt
wie auch sein Freund Hiibner, ja er
beklagt sich selbst Brentano gegenüber
über seine „unglückselige Empfindlich-
keit". Die Lichtseite dieser Charakter-
anlage war ein außergewöhnlich war-
mes religiöses Empfinden und eine un-
bedingte Ergebung in Gottes Fügungen
auch bei den härtesten Schicksalsschlägen.
„Es liegt gar zu nahe," schrieb er an
Brentano, „den eigenen Willen für den
Willen Gottes zu halten, und ich bin
durch Erfahrung gewitzigt, ihn eher in
dem Widerwärtigen zu finden, als in
dem, was unserer Neigung entspricht."
Jn einem Punkte freilich ließ sich
Steinle nicht leicht beeinflussen: in seinen
Anschauungen über wahre Kunst, weder
nach der Seite der Fortschrittlichen, noch
nach der Seite der Archaisten, obwohl er
unter den letzteren eine Reihe bester
Freunde zählte. So sehr Steinle die
alten Meister schätzte, so wenig war er
für eine Nachahmung derselben zu haben.
Abb. 24 (Text S. S2) Phot. F. Brucknumn A.-G.
St. FranziskuS in dcr Einöde 1SK4
XXX
r
Abb. 2L (Tcxt S. L2)
St. FranziLlus in Verzüclung 1855
Autot. Kösel
Die Kunst tvar ihm ein
lebendiges ^ Gewächs,
nicht ein Herbarium
mit getrockneten Blu-
men. FürgotischeKunst,
fürchte er, sei er Zu alt,
so schreibt er einmal,
und gewisse Dinge, die
bei den eifrigsten Be-
treibern gotischer Kunst
vor sich gingen, könne er
beim besten Willen nicht
verstehen. Auch dieüber-
große Weichheit Over-
becks und der Düssel-
dorfer war nicht nach
seinem Geschmack. Wie
richtig hat erdieSchwä-
chen Overbecks erkannt,
wenn er ihm „ein klein
wenig mehr männlichen
Ernst" und „etwas
mehr Körperlichkeit"
wünschte: „Overbeck
hätte die Natur nicht so
sehr scheuen dürfen. . .
Das Bild zieht den
Leuten die Seele aus
auch Schuld daran, daß er nicht in
dem Maße, wie wir es wünschen moch-
ten, seinem innersten Künstlerdrang zur
Lyrik nachgab und seinen Freunden, die
ihn nur als Heiligenmaler sehen wollten,
zu sehr folgte. Wie alle passiven Na-
turen litt auch Steinle oft an Melan-
cholie und starker Empfindsamkeit, die
er nach außen hin freilich meisterlich zu
beherrscheu wußte. Sein Vater hatte
ihn in dieser Beziehung sehr gut gekannt
wie auch sein Freund Hiibner, ja er
beklagt sich selbst Brentano gegenüber
über seine „unglückselige Empfindlich-
keit". Die Lichtseite dieser Charakter-
anlage war ein außergewöhnlich war-
mes religiöses Empfinden und eine un-
bedingte Ergebung in Gottes Fügungen
auch bei den härtesten Schicksalsschlägen.
„Es liegt gar zu nahe," schrieb er an
Brentano, „den eigenen Willen für den
Willen Gottes zu halten, und ich bin
durch Erfahrung gewitzigt, ihn eher in
dem Widerwärtigen zu finden, als in
dem, was unserer Neigung entspricht."
Jn einem Punkte freilich ließ sich
Steinle nicht leicht beeinflussen: in seinen
Anschauungen über wahre Kunst, weder
nach der Seite der Fortschrittlichen, noch
nach der Seite der Archaisten, obwohl er
unter den letzteren eine Reihe bester
Freunde zählte. So sehr Steinle die
alten Meister schätzte, so wenig war er
für eine Nachahmung derselben zu haben.
Abb. 24 (Text S. S2) Phot. F. Brucknumn A.-G.
St. FranziskuS in dcr Einöde 1SK4
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