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Die Kunst dem Volke <München> — 1917 (Nr. 29-31)

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Kreitmaier, Josef: Edward von Steinle
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https://doi.org/10.11588/diglit.21069#0066
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— 20 —

Abb. 27 (Text S. 33) Die MLrchenerzählerin l8tb Phot. F. Bruckmann A.-G.

deren satte Harmonik ganz im Dienste der Me-
lodie steht. Der Steinlesche Linienzug ist von
einer so vornehmen Zartheit und dabei von einer
so prickelnden und doch vollkommen gesunden Neiz-
barkeit, daß ihm hierin kein Künstler des 19. Jahr-
hunderts, auch Schwind nicht, gleichkommt. Eine
solche Empfindungsübertragung aus der Seele
des Künstlers in die des Beschauers ist noch
wenigen so vollkommen geglückt, besonders wo es
sich um ganz fein gestimmte Empsindungen handclt.

Jn welchen Bildern aber findet sich diese
echteste und tiesste künstlerische Potenz unseres
Künstlers am schärfsten ausgeprägt?

Die Monumentalmalerei,dieim 19.Jahr-
hundert als der höchste Gipfel der Kunst galt
und die große Sehnsucht aller Künstler bildete,
hat keinen Raum für solche intime Feinheiten.
Herbe Größe steht ihr besser als Weichheit und
Empfindsamkeit. Sie muß etwas von der Objek-
tivität der Orgel an sich haben und nicht ein
zartes Geigensolo in Farbe übertragen. Es konnte
nicht ausbleiben, daß Steinle auch zu monu-
mentalen Arbeiten herangeholt wurde, und es ist
kein Zweifel, daß der Künstler selbst hierin die
eigentliche Aufgabe seines Lebens erblickte. Er
wollte durch seine Kunst priesterlich wirken. Das
hat er nun freilich erreicht; eine andere Frage
aber ist es, ob die monumentalc Sprache die
Muttersprache des Künstlcrs war, in der er rest-
los seine geheimsten Gedanken und Empfindun-
gen ausdrücken konnte, oder im letzten Grunde
ein fremdes Jdiom, das ein volles Ausklin-
gen und Mitschwingen seiner Seele unmöglich
machte und darum immer den „Ausländcr" er-
kennen ließ.

Rein theoretisch hat er das Wesen der Mo-
numentalmalerei sehr gut und scharf erfaßt, wenn
er gelegentlich seiner Straßburger Arbeit schreibt:
„Es ist sonderbar, daß eine große Fcierlichkeit

nur durch eine gewisse Armut er-
reicht werden kann." Praktisch je-
doch fand er nur sehr selten die
monumentale Geste. Die „Völker-
wanderung" z. B. auf den Fresken
im Treppenhaus des Kölner Mu-
seums — Steinle selbst gebraucht
diesen Ausdruck — erinnert in
nichts an die monumentale „Ar-
mut". Sehr gut dagegen sind die
in Grau gehaltenen Sockelbilder,
von denen wir als Abb. 29 den
Kölner Karneval bringen. Allein
diese wollen als Monumentalbil-
der gar nicht betrachtet sein. Auch
die Engel im Kölner Dom ent-
behren der Kraft, die zu einem
einheitlichen Zusammenwirken mit
der Architektur nötig wäre. Der
hl. Wenzeslaus in der Ägidien-
kirche in Münstcr (Abb. 22) ist eine
trefflich disponierte Komposition,
aber etwas kühl und glatt. Relativ
die beste Monumentalarbeit Steinles sind, wie
schon bemerkt, die Fresken im Straßburger Dom.
Die drei Patriarchen Abraham, Jsaak und Jakob
(Abb. 19) sind wirklich Meisterstücke einer kraft-
vollen kernigen Komposition, die Köpse voll in-

Abb.; 28 (Terl S. 36) Die Lorelci 1864 Phot. F. Hanfstaengl
 
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