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Die Kunst dem Volke <München> — 1917 (Nr. 29-31)

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Kreitmaier, Josef: Edward von Steinle
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https://doi.org/10.11588/diglit.21069#0068
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Abb. 31 (Text S. 3S> Phot. F. Bruckmann A.-G.

„Wcr das Glück hat, sührt die Braut heim" 1L63

ich Jhnen bcmerkcn, daß Glasgemälde in der
altcn und cchten Weise mit Vcrbleiung leichter
und billiger zu fertigcn sind, als solche auf
größeren Tafeln in neu beliebter Art, wo häusig
zu viel Pinselarbeit den Zweck der
Einfachheit und Klarheit zu Tode
pinselt". Die volle Konsequcnz dicscr
einzig richtigcn Grundsätze konnte
die damalige Zeit frcilich noch nicht
ziehen, aber cs war wenigstcns der
Weg zum Fortschritt gebahnt.

Steinle wurde früher immcr als
H istorienm aler bezcichnct. Esbe-
rührt uns heute cigentümlich, daß
man das innerste Wesen seiner
Kunst so lange nicht dur'chschaut hat.

Ein so ausgesprochener Empfin-
dungskünstler wie Steinle konnte
unmöglich in der strengcn Objektivi-
tät des Historikcrs sein Genügen
finden, und er verfiel leicht in einc
gewisse Trockenheit, wenn ihm ge-
schichtliche Themeu gestellt wurden.

Trotzdem fand er auch hier bis- Abb. 32 (Tcxt S. 3S>

weilen Fassungcn und Motive, die so-
wohl seiner Eigenart wie den Forde-
rungen des Geschichtsbildes gerecht wur-
den. Wie herrlich hat der Künstler in
seinem Urteil Salomons (Abb. 3) die
psychische Verfassung der beidcn Mütter
wiederzugebcn gcwußt! Und dramati-
sches Lebcn flutet durch dieses Bild, wie
man cs bei eincm so innerlich gerichteten
Meister nicht erwartcn möchte. Auch das
große Olbcrgbild, das er für die Christus-
kirche in Christiania malte (Abb. 7), ist
durch die feierlich tragische Stimmung
über das nackte Gcschichtsbild hinaus-
gehobcn. Die Hochzeit von Kana hat
er ganz in die lyrische Stimmung ge-
taucht, dic wir an scinen Märchenbitdern
so sehr bewundcrn. Ganz großartig, auch
farbig brillant ist die Heimsnchnng Mariä
(Abb. 17), die cr sür die Karlsruher
Kunsthalle gemalt hat. Elisabcth, de-
mütig geneigt, liest in frcudigcm Stau-
nen aus dcm hehren Antlitz der heili-
gen Jungfrau das große Gehcimnis der
Menschwerdung Gottcs. Der mächtige
Fluß der Gcwandung hat nichts von
jencr starrcn Typik, die an Bildern aus
dcr damaligcn Zeit so unerfreulich wirkt.
Es liegt eine unvcrglcichliche Größe und
Hoheit in diesem Bild. Der gute Hirt
(Äbb. 9) ist bereits Licbling des deut-
schen Volkes geworden. Der Kupferstich,
nach dem unsere Abbildung gefertigt ist,
hat eine etwas unangenehme Glätte, wie
überhaupt die Stecher das Kreuz Steinles
waren. So schreibt er einmal an Frl.
Emilie Linder: „Jch bin nahe daran,
über alle Kupferstecher zu verzweifeln, die
mit ihrer prätentiös eitlen Technik, auf die sie
unendlich zu viel Zeit verschwenden, alles ver-
derben". Wie originell hat Steinle die Szene
mit dem Pharisäer und Zöllner ausgefaßt!

Muttcrglück 1857

Autot. Köscl
 
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