Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst dem Volke <München> — 1917 (Nr. 29-31)

DOI Heft:
Kreitmaier, Josef: Edward von Steinle
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.21069#0072
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
26

Abb. 39 (Text S. 35> Autot. Kösel

Shylocks Vcrspottung aus dem Kaufmann von Vencdig 1872

lungen zu Bilderfolgen gegriffen, die er unter
einem gemeinsamen Nahmen vereinigte.

Otto Donner von Richter, der in einem Auf-
satz in der Zeitschrift „Die Kunst für Alle" (1887)
dem Künstler begeistertes Lob spendet, ist der
Meinung, daß er im Portrait versagt habe.
Vielleicht waren die Bildnisse in der Steinle-
ausstellung im Städelschen Justitut, über die der
Aufsatz berichtet, wirklich keine glücklichen Ne-
präsentanten seiner Porträtkunst, aber so viel
wissen wir heute, daß Steinle auch auf dem Ge-
biete der Bildnisse Werke geschaffen hat, die zu
den erfreulichsten des 19. Jahrhunderts gehören.
Der Neubearbeiter der Springerschen Kunstge-
schichte weist sogar besonders nachdrücklich daraus
hin. Den Drang typischer Verschönerung, der

Abb. 4» (Text S. 35) Autot. Kösel

Der Widcrspcnstigcn Zähmung 1870

damals die Stunde regierte, kannte Steinle in
seinen besten Porträts nicht; es sprechen Jndivi-
duen, nicht abstrakte Schemen aus diesen Bil-
dern. Schon das Olbildnis seiner späteren Schwä-
gerin Klementine Kern (Abb. 59), das er als
Sechzehnjähriger malte, ist von einer Frische der
Auffassung und einem so persönlichen Zug, daß es
aus den langweiligen Bildnissen jener Zeit förm-
lich heraussticht.. Unsere Abb. 61 bringt den
Charakterkopf des großen Görres, aus dessen
Augen und gespannten Zügen das Feuer leiden-
schaftlicher Wahrheitsliebe glüht. Wie anmutig
ist daZ Bildnis seines Töchterchens Karoline
(Abb. 64) mit der kindlich-naiven rhythmischen
Gegenbewegung zwischen Kopf und Körper! Das
Bild gefiel in der Berliner Jahrhundertausstel-
lung so sehr, daß es von der Nationalgalerie
angekauft wurde. Eine Bleistiftzeichnung Karo-
linens 12 Jahre später (Abb. 63) zeigt uns
noch denselben pausbackigen Kopf, aber die kind-
liche Unbefangenheit hat jungfräulichem Ernst
Platz gemacht. Nach dem TodeKlemensBrentanos
fertigte Steinle für Emilie Linder das Gedächt-
nisblatt an den gemeinsamen Freund (Abb.48),
das die Züge des großen Dichters treu wieder-
gibt. Als Pilger gekleidet klammert er sich an
das mit Weinranken verzierte Kreuz. Unten
quillt das lebendige Wasser des Heils hervor,
seitlich steht ein Dornbusch, auf dem der Lor-
beerkranz des Dichters aufgehängt ist, eine An-
 
Annotationen