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Abb. 52 <Text S. L und 38) Phot. Frz. Hansstacngl
Der Violinspiclcr 1865
allem Brentano das Berdienst zukommt, Steinle auf das
Gebiet der prosanen Romantik gelviesen zn haben,
mehr noch durch seine Art und durch seine Schriften als
durch direkte Anregung.
Gleichsam als Einleitung und Vorspiel für Märchen-
darstellungen kann das herrliche Blatt aus dem Jahre 1841
„Die Märchenerzählerin" gelten (Abb. 27). Daß sich die
Komposition mit Gewalt von der Seele des Künstlers
losrang, geht aus seinen Briefen klar hervor. Ebenso
deutlich aber auch seine Zweifel, ob er durch solche pro-
fanen Arbeiten dem lieben Gott nicht die Zeit wcgstehle,
die er für Besseres verwenden könnte. Auch später kehren
diese Bedenken immer wieder, wenn er derartige „Allotria",
dem Drange seines Künstlergenius folgend, schuf. Es ist
ganz großartig, wie die um die erzählende Großmutter
sitzenden und liegenden Kinder in den verschiedenen
Graden von Aufmerksamkeit charakterisiert sind. Bei den
Mädchen ist es ein rein passives Zuhorchen, bei dem
ältcsten Knaben begleitet die Hand die Regungen der
Phantasie, während der jüngere Bruder, bereits in Schlum-
mer gefallen, sich an die Schulter seines Schwesterchens
lcgt und der Jüngste an den Rücken der Großmutter ge-
lehnt, in die Ferne träumt. Den Jnhalt
von Großmutters Erzählung hat der Künst-
ler in einem ornamentalen Rankengebilde
dargestellt. Das Kätzchen sreilich, das am
Boden kanert, macht auf Naturwirklichkeit
keinen Anspruch, wie der Künstler über-
haupt in Tierdarstellungen nicht immer glück-
lich war.
Jn den erregten Zeiten des Nevolu-
tionsjahres 1848 entstand die Tiburtinische
Sibylle (Abb. 5), eine Figur voll Maje-
stät, die mit seherischem Auge in die Zu-
kunft schaut. Den Romantiker offenbart
unser Meister auch hier durch die Landschaft
mit dem Wasserfall.
Steinle war ein begeisterter Freund
Shakespearescher Kunst, die in der Zeit der
Romantik ihre Wiedererweckung fcierte.
Kein Wundcr, daß sich diese literarischen
Anregungen allmählich zu Bildern aus-
gärtcn. Eine dustige Sepiazeichnung aus
dem Jahre 1848 bringt verschiedene Mo-
mente aus dem „Kaufmann von Venedig"
(Abb. 38), ein Bild aus dem Jahre 1855
die Gerichtsszene aus demselben Schauspiel
mit einer ganzen Galerie interessanter Cha-
Abb. 53 <Tcrt S. 38) Phot. F. Bru-kiii-mn A.-G.
Dcr Wintcr 1880
XXX
s
Abb. 52 <Text S. L und 38) Phot. Frz. Hansstacngl
Der Violinspiclcr 1865
allem Brentano das Berdienst zukommt, Steinle auf das
Gebiet der prosanen Romantik gelviesen zn haben,
mehr noch durch seine Art und durch seine Schriften als
durch direkte Anregung.
Gleichsam als Einleitung und Vorspiel für Märchen-
darstellungen kann das herrliche Blatt aus dem Jahre 1841
„Die Märchenerzählerin" gelten (Abb. 27). Daß sich die
Komposition mit Gewalt von der Seele des Künstlers
losrang, geht aus seinen Briefen klar hervor. Ebenso
deutlich aber auch seine Zweifel, ob er durch solche pro-
fanen Arbeiten dem lieben Gott nicht die Zeit wcgstehle,
die er für Besseres verwenden könnte. Auch später kehren
diese Bedenken immer wieder, wenn er derartige „Allotria",
dem Drange seines Künstlergenius folgend, schuf. Es ist
ganz großartig, wie die um die erzählende Großmutter
sitzenden und liegenden Kinder in den verschiedenen
Graden von Aufmerksamkeit charakterisiert sind. Bei den
Mädchen ist es ein rein passives Zuhorchen, bei dem
ältcsten Knaben begleitet die Hand die Regungen der
Phantasie, während der jüngere Bruder, bereits in Schlum-
mer gefallen, sich an die Schulter seines Schwesterchens
lcgt und der Jüngste an den Rücken der Großmutter ge-
lehnt, in die Ferne träumt. Den Jnhalt
von Großmutters Erzählung hat der Künst-
ler in einem ornamentalen Rankengebilde
dargestellt. Das Kätzchen sreilich, das am
Boden kanert, macht auf Naturwirklichkeit
keinen Anspruch, wie der Künstler über-
haupt in Tierdarstellungen nicht immer glück-
lich war.
Jn den erregten Zeiten des Nevolu-
tionsjahres 1848 entstand die Tiburtinische
Sibylle (Abb. 5), eine Figur voll Maje-
stät, die mit seherischem Auge in die Zu-
kunft schaut. Den Romantiker offenbart
unser Meister auch hier durch die Landschaft
mit dem Wasserfall.
Steinle war ein begeisterter Freund
Shakespearescher Kunst, die in der Zeit der
Romantik ihre Wiedererweckung fcierte.
Kein Wundcr, daß sich diese literarischen
Anregungen allmählich zu Bildern aus-
gärtcn. Eine dustige Sepiazeichnung aus
dem Jahre 1848 bringt verschiedene Mo-
mente aus dem „Kaufmann von Venedig"
(Abb. 38), ein Bild aus dem Jahre 1855
die Gerichtsszene aus demselben Schauspiel
mit einer ganzen Galerie interessanter Cha-
Abb. 53 <Tcrt S. 38) Phot. F. Bru-kiii-mn A.-G.
Dcr Wintcr 1880
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