Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst dem Volke <München> — 1917 (Nr. 29-31)

DOI Heft:
Kreitmaier, Josef: Edward von Steinle
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.21069#0082
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
36

eineBilderfolge zudem deutschen Volksmärchen„Schnee-
weißchen und Rosenrot". Abbildung 35 bringt die
Szene, wo die beiden Kinder den Zwerg finden, der
sich vergeblich abmüht, seinen eingeklemmten Bart los-
zumachen. Die erste Fassung von 1866, die nicht
zum Zyklus gehört, legt den Nachdruck auf die angst-
volle Überraschung der Mädchen, die entsprechende
Darstellung aus dem Zyklus hält den Augenblick fest,
wo ste bereits den Entschluß gefaßt haben, dem Zap-
peln des Zwergleins mit der Schere ein Ende zu
machen. Das linke Seitenbild (Abb. 34) zeigt uns
die beiden Kinder mit dem Bären. Von reizvollster
Märchenstimmung durchzogen ist das später entstan-
dene Aguarell „Schneewittchen mit den sieben Zwergen"
(Abb. 33), wo die Zwerge das schlafende Menschen-
wunder bestaunen. Das sind wirklich Überreste para-
diesischer Unschuld!

Zwei Jahre vor seinem Tode schuf der Künstler
seinen großen Aquarellzyklus zu Wolfram vou Eschen-
bachs Parzival mit fünf Haupt- und fünf Sockelbil-
dern, der fich jetzt in der Neuen Pinakothek in München
befindet. Unsere Abbildung 45 zeigt das äußerste
linke Hauptbild: Parzivals Beruf, eine der besten
Schöpfungen aus der Reihe. Den Stoff hat der Künst-
ler lange in fich herumgetragen, und es ließ ihm keine

Abb. 58 (Tert S. 39)

Dcr Hexenschuß 1886

möglich, alle diese Bilder inhaltlich
näher zu erklären; sie wirken ja wie
jedes echte Kunstwerk, auch dann,
wenn man den Jnhalt nicht kennt.

Welch blühende Romantik durchzieht
die Bilder zum Rheinmärchen und
zur Chronika, welche Kraft der Jn-
dividualitäten offenbaren die Meh-
reren Wehmüller, welch traulich-
elegische Stimmung die Romanzen
vom Rosenkranz. Die reiche Phan-
taste des Künstlers, die Vielseitigkeit
seiner Einfälle und die fpielende Be-
herrschung der Form sind wahrhaft
erstaunlich. Von Brentanos Rhein-
märchen ist auch die Lorelei in der
Schackgalerie inspiriert (Abb. 28),
dieses dämonisch großartige Felsen-
weib, das auf seiue unglücklichen
Opfer lauert.

Jn die wundersame Märchenwelt
der Zwerge führt uns das prächtige
Blatt „Wer das Glück hat, führt die
Braut heim" (Abb. 31), das den
unbestrittenen Meisterwerken der Ro-
mantik beizuzählen ist. Wir glau-
ben das geheimnisvolle Säuseln des
deutschen Waldes zu vernehmen,
seinen lieblichen Duft einzuatmen,
das Glück des Ritters und feiner
holden Prinzessin und die ftolze
Freude des Zwergenkönigs und sei-
ner munteren Schar mitzuempfinden.

1868 malte Steinle in Wasserfarben Mb. ss (Text S. 2k> Klemmtine K«n i82e Autot. Kös-l
 
Annotationen